Veranstaltung: | Wahlprogramm Mobilität 2021 |
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Antragsteller*in: | Yannick Brugger (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 23.01.2021, 11:39 |
A5: K-5: Vielfalt leben - in Freiheit und Gleichheit
Text
5. Vielfalt leben - in Freiheit und Gleichheit
Berlin ist die Stadt der Freiheit. Hier leben knapp vier Millionen Menschen mit
den unterschiedlichsten Biographien, Identitäten, Zielen und Träumen. Unsere
Vision ist eine Stadt, die der Vielfalt ihrer Bewohner*innen gerecht wird. Der
Staat kann und soll das Zusammenleben von Menschen nicht steuern und
organisieren. Aber er ist in der Pflicht, das Versprechen des Grundgesetzes auf
Menschenwürde, Freiheit, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung für alle
Wirklichkeit werden zu lassen. Wir werden dafür sorgen, dass Strukturen der
Diskriminierung und Ungleichmachung aufgebrochen werden, dass Hass und Spaltung
keine Chance haben, dass niemand Angst haben muss, das eigene Leben frei zu
gestalten. Für uns sind Respekt und Anerkennung die Leitprinzipien einer offenen
Gesellschaft. Wer die Gesellschaft ändern will, muss bei sich selbst beginnen.
Deshalb haben wir uns als Partei auf den Weg gemacht und damit begonnen,
Diskriminierungen und Ausschlussmechanismen in unseren Strukturen zu
identifizieren und abzubauen. Uns ist bewusst: Menschen, die der weißen
Mehrheitsgesellschaft angehören, müssen ihre eigenen Privilegien kritisch
reflektieren und aktiv Rassismus verlernen. Menschen, die in unserer
Gesellschaft von Rassismus betroffenen sind, müssen sichtbar werden und zu Wort
kommen können – in der Politik genauso wie in allen anderen Lebensbereichen. Das
wäre ein wichtiger Schritt, um Vielfalt in dieser Stadt leben zu können.
Schutz vor staatlicher Diskriminierung und Förderung einer vielfältigen
Zivilgesellschaft
Wir haben mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz als erstes Bundesland
überhaupt wirksamen Schutz vor staatlicher Diskriminierung geschaffen. Gemeinsam
mit dem neuen „Diversity-Landesprogramm“ treiben wir eine Kultur der
Wertschätzung von Vielfalt in der Verwaltung voran. Mit dem „Landesprogramm für
Demokratie. Vielfalt. Respekt.“ unterstützen wir zivilgesellschaftliche
Organisationen in ihrer Arbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus und
Antisemitismus. Wir werden diese Programme in den kommenden Jahren weiter
ausbauen und mit einem Landesdemokratiefördergesetz einen stabilen Rechtsrahmen
und eine stabile Finanzierung der Zivilgesellschaft garantieren. Vor Ort wollen
wir Menschen stärker an politischen Entscheidungen beteiligen und dazu in allen
Bezirken und auf Landesebene Bürger*innenräte etablieren, die sich temporär zu
bestimmten Themen bilden und die gewählten Repräsentant*innen beraten.
Selbstbestimmung und 50 Prozent der Macht den Frauen
Politik für Frauen gehört seit 40 Jahren zu unserer grünen DNA – und wir sind
erfolgreich. In der grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus sind 60 Prozent der
Mandatsträger*innen weiblich. Insgesamt liegt die Quote im Abgeordnetenhaus aber
nur bei gerade mal einem Drittel. Wir prüfen einen verfassungskonformen Weg für
ein Paritégesetz, damit sich alle Parteien verpflichten, deutlich mehr Frauen in
die Parlamente zu schicken, mit dem Ziel einer Ergebnisparität im
Abgeordnetenhaus.
Freiheit und Selbstbestimmung funktionieren nur ohne Angst und Gewalt. Darum
haben wir in den vergangenen Jahren für mehr Plätze in Frauenhäusern gekämpft
und das siebte Berliner Frauenhaus eröffnen können. Jetzt kämpfen wir für ein
achtes Frauenhaus, denn die Schutzplätze reichen für eine Stadt wie Berlin nicht
aus. Wir haben Unterstützung für Frauen und die Anti-Stalking-Beratungsstelle
finanziell besser ausgestattet, in den Landesunternehmen Leitlinien gegen
Sexismus und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verabschiedet.
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit ist für uns selbstverständlich – für
viele Unternehmen leider noch nicht. Darum setzen wir uns auf Bundesebene weiter
für ein echtes Entgelttransparenzgesetz und ein Ende des Ehegattensplittings
ein.
Die Regenbogenhauptstadt bleibt bunt
Für uns ist klar, Feminismus geht nicht ohne Queer und Queer-Feminismus nicht
ohne Kampf gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung. Wir denken und handeln
deshalb „intersektional“, indem wir die Verschränkungen verschiedener
Diskriminierungsformen in den Blick nehmen. Und so verstehen wir auch unsere
Queerpolitik. Wir unterstützen queere Infrastruktur, die offen ist für alle, und
das in der ganzen Stadt. Durch einen ressortübergreifenden Maßnahmenplan, den
der Senat gemeinsam mit den lesbischen, schwulen, bi-, trans*- und inter*-
Communities erarbeitet, entsteht eine dauerhafte Struktur für Akzeptanzarbeit
für LSBTIQ*. Gelingen kann dies nur, wenn möglichst viele Gruppen, Vereine und
Aktivist*innen zu Wort kommen. Diese gemeinsame Arbeit wollen wir fortsetzen.
Freiheit schützen und bewahren – wir setzen auf den Rechtsstaat
Freiheit für alle erreichen wir nur, wenn sich Menschen in Berlin sicher fühlen
können, Angst hemmt Freiheit. Mit einem Freiheitsrechtestärkungspaket haben wir
das größte innenpolitische Reformprogramm in Berlin seit Jahrzehnten realisiert.
Mit der Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes haben wir
Befugnisse zur Abwehr terroristischer Straftaten oder ähnlich schwerer
Verbrechen neu in das Gesetz aufgenommen und gleichzeitig für mehr
Bürger*innenrechte sowie Offenheit und Transparenz bei der Polizei gesorgt. Wir
haben unser innenpolitisches Versprechen umgesetzt und die Stelle eines
unabhängigen Beauftragten für Bürger*innen und Polizeiangelegenheiten
geschaffen. Wir sind der Überzeugung, die beste Sicherheitspolitik setzt auf
Prävention – indem wir Menschen Chancen im Leben geben und die Polizei vor Ort
stärken. Wir wollen eine Polizei, die in den Kiezen verwurzelt ist, die offen
mit Fehlern umgeht, rechtsextreme Strukturen in den eigenen Reihen schonungslos
aufdeckt und so vielfältig und offen ist, wie unsere Stadt. Genau so entsteht
Vertrauen. Gewalt und Extremismus egal welcher Couleur haben keinen Platz in der
offenen Gesellschaft. Gegen islamistischen Terror, Rechtsextremismus oder
linksradikale Gewalt braucht es ein entschlossenes staatliches Handeln und eine
klare gesellschaftspolitische Haltung des Miteinanders aller Menschen, die sich
auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen.
Wir errichten ein neues Anti-Terror-Zentrum, um islamistischen und
rechtsextremen Terror besser zu bekämpfen. Nach den Skandalen um vergiftete
Schießstände haben wir erkrankte Polizist*innen entschädigt und neue
Einsatztrainingszentren gebaut, damit junge Polizist*innen zeitgemäß ausgebildet
werden. Die Zulagen für die Einsatzkräfte bei Feuerwehr und Polizei wurden
deutlich angehoben. Eine gemeinsame Leitstelle für Polizei und Feuerwehr ist in
der Planung, um Berlin für Notfälle sicherer zu machen. Diesen Weg, Ausstattung
und Arbeitsbedingungen für unsere Sicherheitskräfte zu verbessern, wollen wir
weitergehen.
Alle Menschen müssen ihre Rechte durchsetzen können. Dafür brauchen wir eine
unabhängige, starke und moderne Justiz. In den vergangenen Jahren haben wir die
Berliner Justiz in riesigen Schritten besser aufgestellt. Wir haben nach vielen
Jahren die Soll-Personalstärke im Allgemeinen Vollzugsdienst wieder erreicht,
Richter*innen und Staatsanwält*innen eingestellt und für die vielen neuen
Stellen in der Justiz zusätzliche Räumlichkeiten geschaffen. Um der
organisierten Kriminalität den Geldhahn abzudrehen und Vermögen einzuziehen,
haben wir eine Spezialabteilung bei der Berliner Staatsanwaltschaft gegründet.
Gerade Verbraucher*innen müssen sich sicher sein können, dass Lebensmittel nicht
verunreinigt sind und digitale Angebote Standards des Datenschutzes erfüllen. Um
die Rechtsdurchsetzung für alle Menschen zu erleichtern, haben wir
Verbandsklagerechte ausgeweitet und sorgen so dafür, dass alle zu ihrem Recht
kommen. Der Rechtsstaat ist das Rückgrat unserer Gesellschaft, wir werden ihn
weiter stärken.
Kulturhauptstadt Berlin
Die Welt beneidet Berlin um seine Kunst- und Kulturszene – die freie Szene, die
Clubkultur, die vielen Museen, Kinos und Theater. Kunst und Kultur brauchen
Freiheit, aber auch eine auskömmliche öffentliche Förderung und hinreichend
Räume. Infolge der Corona-Krise, durch Bodenspekulation und Verdrängung ist die
Situation vieler Kulturschaffender, Kreativer und privater Kulturorte heute
prekärer denn je. Umso mehr kämpfen wir für eine bessere soziale Absicherung von
Kulturschaffenden, die Schaffung und den Erhalt künstlerischer Freiräume genauso
wie für eine gute kulturelle Grundversorgung und Teilhabe aller Berliner*innen.
Wir werden dafür die bestehende Fördersystematik innovativ weiterentwickeln:
durch mehr Mittel für Berlins Freie Szene, junge Sparten und hybride
Kulturformen, eine Stärkung der Ankerinstitutionen und kulturellen
Bildungsarbeit sowie eine bessere Repräsentanz der gesellschaftlichen Vielfalt –
gerade auch in Jurys, Intendanzen und Aufsichtsgremien. Das gilt auch für die
freien Medien, deren Unabhängigkeit wir gegen alle Angriffe verteidigen.
Eine demokratische Gesellschaft wird auch von ihrer Erinnerungskultur
zusammengehalten: Wir halten das Gedenken an die Verbrechen des
Nationalsozialismus wach und wollen, dass das Erbe und die Orte der friedlichen
Revolution im Berliner Stadtraum sichtbarer werden. Für die überfällige
Aufarbeitung und Erinnerung an die deutsche Kolonialvergangenheit werden wir in
Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft die Dekolonisierung der
Kultureinrichtungen und -förderung im Bildungsbereich und öffentlichen Raum
weiter vorantreiben.
Freiheit und Gleichheit sind universelle Werte – und Berlin ist ein sicherer
Hafen
Wir sind glühende Verfechter*innen der europäischen Idee und der europäischen
Einigung. Viele Entwicklungen in Europa verfolgen wir derzeit aber mit großer
Sorge. Das Erstarken von rechtspopulistischen und rechtsextremen Kräften in
Polen, Ungarn und anderen Ländern droht die Europäische Union insgesamt zu
zerstören. Die LSBTIQ*-freien Zonen, die die rechte Regierung Polens
vorantreibt, sind ein dramatisches Beispiel dieser Entwicklung. Wir arbeiten
über unsere Städtepartnerschaften für die Rechte queerer Menschen in Polen und
setzen uns im „Rainbow Cities Network“ in über 30 Städten auch auf lokaler Ebene
für die Stärkung der Belange von LSBTIQ* ein. Und Berlin soll ein sicherer Hafen
für Menschen sein, die vor Krieg, Verfolgung, Elend, Armut oder der Klimakrise
fliehen mussten. Alle Menschen, die in Berlin ankommen, müssen eine Chance
erhalten, sich hier ein Leben aufbauen zu können. Wir machen Berlin im Rahmen
rechtlicher Möglichkeiten zu einer guten Heimat für all diejenigen, die in einer
weltoffenen, demokratischen und solidarischen Stadt leben wollen.
5.1 Ein Berlin für alle: für Vielfalt, gegen Diskriminierung
Berlin ist offen. Offen für neues, offen für Vielfalt, offen für neue
Berliner*innen. Anerkennung und Wertschätzung sind es, die Berlin zusammenhalten
und zur Metropole machen. Diskriminierung und das Absprechen von gleichen
Rechten zerstören diese lebenswichtige Solidarität. Mit dem
Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) hat Berlin als erstes Bundesland
wirksamen Schutz vor staatlicher Diskriminierung geschaffen und die Rechte der
Betroffenen gestärkt. Das LADG setzt bundesweit Impulse für eine vielfältige
Gesellschaft und gegen Stigmatisierung. Gemeinsam mit dem ebenfalls in diesem
Jahr eingeführten Diversity-Landesprogramm wird die Implementierung einer Kultur
der Wertschätzung von Vielfalt in der Verwaltung vorangetrieben. Mit dem
Landesamt für Einwanderung ist Berlin das erste Bundesland, das eine
eigenständige Einwanderungsbehörde geschaffen und damit die Weichen in Richtung
Weltoffenheit und Willkommenskultur gestellt hat.
Auch in den nächsten Jahren wollen wir an unserer Vision eines vielfältigen
Berlins arbeiten, in der jede*r frei, selbstbestimmt, ohne Diskriminierung und
Gewalt leben kann. Wir möchten allen hier lebenden Menschen gleichberechtigt und
ohne strukturelle Benachteiligungen ermöglichen, die Gesellschaft
mitzugestalten: Berliner*innen der ersten bis x-ten Generation, Ein-Eltern-
Familien, Familien mit mehr Eltern oder andere Verantwortungsgemeinschaften,
sozial benachteiligte Familien, Menschen aller Geschlechter, Menschen mit oder
ohne Behinderung, Gläubige aller Glaubensrichtungen oder Nichtgläubige, LSBTIQ*,
Schwarze Menschen, People of Color, Sintize* und Romnja* ebenso wie Kinder,
Jugendliche und alte Menschen. Die Voraussetzungen dafür sind ein umfassender
Schutz vor Diskriminierung und rechtlich garantierte Chancen auf Teilhabe,
gerechte Repräsentation und Mitgestaltung in allen gesellschaftlichen Bereichen
und staatlichen Institutionen.
Verwaltung und staatliche Institutionen für Diversität öffnen
Die Berliner Verwaltung wollen wir konsequent für die Diversität der
Stadtgesellschaft öffnen und ihre Organisationsstrukturen
diskriminierungskritisch weiterentwickeln. Teilhabehürden, institutioneller
Rassismus und andere strukturelle Diskriminierung müssen identifiziert und
abgebaut werden. Aufbauend auf dem Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG)
wollen wir Aktivitäten für Vielfalt und Weltoffenheit und gegen Diskriminierung
und Extremismus in der Berliner Verwaltung umsetzen und das Berliner Diversity
Landesprogramm stetig fortentwickeln. Wir wollen in den Fokus nehmen, wenn
Menschen gleich aus mehreren Gründen Diskriminierungserfahrungen machen.
In der Verwaltung der Stadt muss sich auch die Stadtgesellschaft abbilden:
Diversität ist die Stärke und der Reichtum Berlins. Dafür wollen wir die
gerechte Repräsentation von strukturell benachteiligten, insbesondere von
rassistischen und antisemitischen Zuschreibungen betroffenen Gruppen in der
Verwaltung erreichen und konsequent die Repräsentanz von Schwarzen Menschen und
People of Color bzw. Menschen mit Rassismuserfahrung durch positive Maßnahmen im
öffentlichen Dienst fördern. Dabei streben wir eine Repräsentanz entsprechend
der Bevölkerung an und gehen aktiv auf die Stadtgesellschaft zu, um die Berliner
Verwaltung als Arbeitgeberin zu bewerben. Dabei machen wir uns eine
intersektionale Perspektive zu eigen, das heißt: insbesondere auf die Förderung
von Menschen zu achten, die in mehrfacher Hinsicht diskriminiert werden –
beispielsweise durch Sexismus, Behindertenfeindlichkeit oder LSBTIQ*-
Feindlichkeit. Auch die deutsche oder EU-Staatsbürger*innenschaft darf nur in
Berufen als Voraussetzung verlangt werden, in denen dies absolut notwendig ist.
Zivilgesellschaft fördern und einbeziehen
Zivilgesellschaftliche Organisationen wollen wir in ihrer Arbeit zum Abbau von
Diskriminierungen in der Stadt weiter unterstützen, das „Landesprogramm für
Demokratie. Vielfalt. Respekt.“ weiter ausbauen und mit einem
Landesdemokratiefördergesetz einen stabilen Rechtsrahmen und eine stabile
Finanzierung der Zivilgesellschaft schaffen.
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Die Grundrechte gelten für alle. Wir
erleben aber, dass die Realität staatlichen Handelns nicht immer diesen Idealen
entspricht. Deshalb wollen wir eine parlamentarische Enquete-Kommission für die
Dauer der nächsten Legislaturperiode einsetzen. Diese wird von allen Fraktionen
mit Sachverständigen und Abgeordneten besetzt, um systematisch Informationen
aufzubereiten, auf deren Grundlage eine gut informierte politische Entscheidung
getroffen werden kann. Ziel ist, Diskriminierung und Rassismus, die von der
Berliner Verwaltung und den Sicherheitsbehörden ausgehen, systematisch zu
erfassen, Gegenstrategien zu entwickeln und diese gegebenenfalls mit den
Maßnahmen im Diversity-Landesprogramm zu verzahnen. Wir wollen rechtsextreme und
diskriminierende Strukturen in Berliner Verwaltung und Sicherheitsbehörden
identifizieren, die Racial Profiling, Rassismus, Antisemitismus,
Transfeindlichkeit und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit
befördern. Bei der Untersuchung soll es aber nicht bleiben: Die Kommission soll
institutionelle und zivilgesellschaftliche Handlungsempfehlungen erarbeiten, um
diskriminierende Strukturen abzubauen. Ausbildung, interne und externe Regeln
und behördliche Organisationsstruktur wollen wir in den Sicherheitsbehörden und
der Justiz untersuchen und anhand dieser Ergebnisse weiterentwickeln, das gilt
besonders für die Ausbildung angehender Polizist*innen und Jurist*innen. Uns ist
es wichtig, explizit die Perspektiven und Expertisen von Menschen, die von
Racial Profiling betroffen sind – u. a. Schwarze Menschen, als türkei- und
arabischstämmig wahrgenommene Menschen, Sintize* und Romnja* –, bei der
Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen einzubeziehen.
Einbürgerung erleichtern und Wahlrecht ermöglichen
Zu einer pluralen Gesellschaft gehört es auch, dass politische Partizipation auf
Augenhöhe und unabhängig von der Staatsangehörigkeit möglich sein muss. Dies
wollen wir ermöglichen und gleichzeitig auch die Hürden zur Einbürgerung senken.
Einbürgerungen wollen wir in allen Bezirken einheitlich und im Sinne der
Einbürgerung gestalten; für Menschen, die seit Jahren hier leben, dürfen weder
Sprachtests noch Transferleistungsbezug ein Ausschlusskriterium sein. Wer in
Berlin gemeldet ist, soll hier auch wählen dürfen: Wir werden weiterhin auch auf
der Bundesebene dafür kämpfen, dass das kommunale Wahlrecht und das
Landeswahlrecht auf alle ausgeweitet wird, die ihren Lebensmittelpunkt in Berlin
haben. Damit schaffen wir eine weitere wichtige Grundlage für unsere
Migrationsgesellschaft.
Religiöse und weltanschauliche Vielfalt stärken
Zur Vielfalt Berlins gehört auch die religiöse und weltanschauliche Vielfalt.
Gemeindezentren sind häufig wichtige soziokulturelle Orte im Kiez, Anlaufstellen
für Menschen mit sozialen Problemen oder Beratungsbedarf, Orte der Vernetzung
für Engagierte, Sprachrohre für lokale Anliegen. Durch die rasant gestiegenen
Mieten sind allerdings gerade viele Moscheegemeinden und kleinere
Gemeinschaften, die nicht von der Kirchensteuer profitieren, zum Umzug
gezwungen. Gleichzeitig werden neue Stadtquartiere geplant, ohne dass dieser
Aspekt des sozialen Zusammenhalts mitgedacht wird. Wir setzen uns für die
Entstehung von Gemeinwesenzentren ein, die grundsätzlich allen offenstehen und
zu gleichen Bedingungen genutzt und gemietet werden können. Wir wollen sie als
soziokulturelle Orte im Kiez stärken und ihren Bestand sichern. Dafür wollen wir
Gewerbemieten deckeln und bezirkliche Vorkaufsrechte wo möglich auch für
religiöse und weltanschauliche Gemeinschaften ausüben. Beispielsweise sollen
Ausbau- und Umbaumaßnahmen von Moscheegemeinden, Cem-Häuser, Synagogen und
Kirchengemeinden, die ihre Räumlichkeiten für Veranstaltungen oder Angebote für
den Kiez öffnen, gefördert werden.
Wir stehen zur Religionsfreiheit in all ihren Dimensionen. Aber es gibt einige
Sonderrechte für anerkannte Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, wo wir
dringenden Reformbedarf sehen. So wollen wir mit den christlichen Kirchen auf
der Grundlage der bundespolitischen Rahmengesetzgebung so rasch wie möglich in
konkrete Verhandlungen über die Ablösung der historischen Staatsleistungen
treten.
5.2 Ungleichheit zwischen Geschlechtern beenden – die Hälfte der Macht den
Frauen
Politik von und für Frauen gehört seit 40 Jahren zu unserer grünen DNA. Und
unser Engagement trägt Früchte: In Berlins landeseigenen Unternehmen sind über
die Hälfte der Aufsichtsrats- und Vorstandspositionen mittlerweile in
Frauenhand. Damit führen wir im bundesweiten Vergleich. Im Berliner
Abgeordnetenhaus hingegen sind gerade mal ein Drittel aller 160 Abgeordneten
Frauen. Wir Grüne sind stolz darauf, dass 60 Prozent unserer Abgeordneten
weiblich sind. Gemäß dem Grundsatz „die Hälfte der Macht den Frauen“ prüfen wir
einen verfassungskonformen Weg für ein Paritégesetz. Nur so erreichen wir
langfristig eine faire, geschlechtergerechte Politik.
Die Corona-Pandemie – eine Krise zu Lasten von Frauen
In der Corona-Krise haben wir erlebt, dass weibliche Expertise in Krisenstäben
eine Seltenheit war. Das führte dazu, dass die unterschiedlichen Lebenslagen von
Frauen in den Hintergrund rückten, während häusliche Gewalt in Berlin um 30
Prozent anstieg, während Schulen und Kitas monatelang geschlossen waren, während
Care- und Bildungsarbeit in weiten Teilen privatisiert wurden und
stillschweigend auf den „To-do-Listen“ von Frauen landeten. Uns hat das darin
bestärkt, weiterhin lautstark paritätische und diverse Besetzungen für
Krisenstäbe und alle anderen Gremien zu fordern.
Eine ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie für Berlin
Berlin ist das erste Bundesland, das mit der Einführung von Gender-Budgeting in
Senats- und Bezirksverwaltungen begonnen hat. Wir haben dem trägen Gender-
Budgeting-Prozess in Senats- und Bezirksverwaltungen durch einen
Haushaltsbeschluss einen neuen Impuls gegeben und konnten erste Fortschritte
erzielen. Um die Umsetzung weiter voranzutreiben, werden wir uns für ein Gender-
Budgeting-Referat in der Finanzverwaltung einsetzen. Auch mit der Gründung der
Unternehmerinnenakademie und dem Landesantidiskriminisierungsgesetz sind wir
wichtige Schritte gegangen, um Frauen zu stärken. Um systematisch in allen
Themen Politik für Frauen machen zu können, wollen wir nun mit allen
Verwaltungen eine verbindliche, datenbasierte und ressortübergreifende
Gleichstellungsstrategie erarbeiten und umsetzen. Die Strategie soll
intersektional wirken, das bedeutet, dass wir Mehrfachdiskriminierungen, etwa
durch Rassismus oder Queerfeindlichkeit, stets mitdenken. Außerdem wollen wir
eine Gesetzesfolgenabschätzung einführen, die die Gleichstellung von Frauen
sicherstellt. Unser Ziel ist eine emanzipatorische Verwaltung. Um das zu
erreichen, werden wir die Mitarbeiter*innen entsprechend schulen.
Gewaltfrei und gleichberechtigt in Berlin leben
Frauen und Kinder sind häufiger Opfer physischer und psychischer
Gewalt.Besonders lesbische Frauen, Muslimas, obdachlose Frauen, Frauen mit
Behinderung, Trans*, Inter*, Schwarze Frauen und Women of Color sind Gewalt
ausgesetzt, was sowohl unmittelbare als auch langfristige Folgen für deren
Gesundheit hat.
Wir haben in den letzten Jahren für mehr Plätze in Frauenhäusern gekämpft und
sind stolz, dass wir das siebte Berliner Frauenhaus eröffnen konnten. Die
Schutzplätze reichen für eine Stadt wie Berlin nicht aus, darum fordern wir ein
achtes Frauenhaus. Auch die Beratung von Betroffenen haben wir ausgebaut, um
Online-Angebote erweitert und die Anti-Stalking-Beratungsstellen finanziell
besser ausgestattet. Jetzt wollen wir zusätzlich besonders vulnerable Gruppen,
wie zum Beispiel Geflüchtete, Wohnungs- und Obdachlose, und andere (mehrfach)
marginalisierte Frauen und nichtbinäre Personen gezielt durch innovative
Wohnformen und Projekte mit intersektional angelegter Beratung unterstützen.
Berlins große Landesunternehmen sind mit gutem Beispiel vorangegangen und haben
Leitlinien gegen Sexismus und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
verabschiedet. Wir haben dafür gesorgt, dass sexistische und diskriminierende
Werbung auf landeseigenen Werbeflächen ausgeschlossen wird. Um sie auch auf
privaten Flächen zu vermeiden, haben wir ein Expert*innengremium eingesetzt, das
bei Beschwerden Handlungsempfehlungen ausspricht und für das Thema
sensibilisiert.
Für Frauen, die selbst oder deren Töchter von Genitalverstümmelung betroffen
oder bedroht sind, wollen wir das Beratungs- und Behandlungsangebot weiter
ausbauen und durch Bildungsangebote auch für Männer die Prävention stärken.
Wir wollen ein Berlin schaffen, in dem Frauen und nichtbinäre Personen nicht
mehr von physischer, psychischer und digitaler Gewalt betroffen sind. Der erste
Schritt ist, Gewalt gegen Frauen als solche zu kennzeichnen. Um das Ausmaß des
Problems zu verdeutlichen, wollen wir die Kategorie „geschlechtsbezogene Gewalt“
in die Polizeikriminalstatistik aufnehmen. Mit einer umfassenden Studie wollen
wir Frauenfeindlichkeit in Berlin untersuchen, um mit den Ergebnissen
langfristige Maßnahmen gegen misogyne Gewalt zu entwickeln. Gleichzeitig
arbeiten wir daran, die Bandbreite von niedrigschwelligen mehrsprachigen
Beratungsangeboten, Frauenhäusern und Zufluchtswohnungen stetig auszuweiten und
die Vorgaben der Istanbul-Konvention konsequent umzusetzen. Polizist*innen,
Staatsanwält*innen und Richter*innen wollen wir gezielt für das Thema
sensibilisieren und dafür weiterbilden.
Selbstbestimmte Sexarbeit ermöglichen. Zwangsprostitution bekämpfen.
Wir setzen uns dafür ein, dass Sexarbeit in Berlin stärker als bisher
selbstbestimmt, sicher und unter guten Arbeitsbedingungen stattfinden kann.
Hierfür wollen wir die Einstiegs- und Umstiegsberatung und mehrsprachige
Kontaktstellen ausbauen sowie bei der Gesundheitsberatung und -versorgung
nachbessern. Essentiell ist, dass hierbei die Expertise und die Erfahrungen von
Sexarbeiter*innen einbezogen werden. Mit Blick auf bekannte Straßenstriche ist
es unerlässlich, auch die Perspektiven von Anwohner*innen zu berücksichtigen.
Der von uns unter rot-rot-grün einberufene Runde Tisch Sexarbeit hat ein
Handlungskonzept vorgelegt, dessen Umsetzung wir weiter vorantreiben, evaluieren
und nach Bedarf anpassen wollen.
Es gibt Überschneidungen zwischen Sexarbeit als selbstbestimmter Tätigkeit und
sexueller Ausbeutung als Teil der organisierten Kriminalität. In den letzten
Jahren haben wir die Bekämpfung dieser organisierten Kriminalität im
Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung und Zwangsprostitution ausgeweitet und
werden dies fortsetzen. Schutzprogramme für Aussteiger*innen, die vor Gericht
aussagen, wollen wir weiter ausbauen. Hierbei ist ein sicheres Bleiberecht für
alle Betroffenen von Menschenhandel zwingend nötig.
Gesundheit – endlich geschlechtergerecht
Die Gesundheitsversorgung von Frauen und nicht-binären Personen werden wir
verbessern. Dazu gehört, das Angebot an Frauenärzt*innen in allen Bezirken zu
sichern und den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen,
gerade in Krisenzeiten. Gleichzeitig haben wir die Bedingungen für sichere und
gute Geburten verbessert, indem wir in Kreißsäle investiert haben, indem wir die
Ausbildungskapazitäten für Hebammen erhöht haben und mit einer digitalen
Plattform die Hebammensuche erleichtern.
Wir wollen gendersensible Sexualaufklärung, -beratung und Gesundheitsvorsorge
und werden den Zugang zu Reproduktionsmedizin und Familienplanung insbesondere
für gleichgeschlechtliche Paare und Singles ausbauen. Dazu wollen wir
genderbezogene Gesundheitsforschung stärken und gezielt sowohl cis- als auch
trans*-Frauen, nicht-binäre Personen und queere Personen in der medizinischen
Aus- und Weiterbildung fördern. Für Gynäkolog*innen und andere Heilberufe wollen
wir entsprechende Schulungen ausbauen, um sie für gesundheitliche Fragen von
cis- wie von trans*-Frauen sowie für spezifische Fragen zur lesbischen
Gesundheit zu sensibilisieren.
Auftrag an die Bundesregierung
Ein großes Hindernis auf dem Weg zum freien und selbstbestimmten Leben für alle
Geschlechter bleibt die ungleiche Aufteilung von Care-Arbeit zu Lasten von
Frauen – mit dem ungerechten Effekt der starken Lohn- und Rentenungleichheit
zwischen Männern und Frauen. Gegen den Gender Care Gap und den Gender Pay Gap,
für ein echtes Entgeltgleichheitsgesetz und das Ende des Ehegattensplittings
kämpfen wir auf Bundesebene.
5.3 Die Regenbogenhauptstadt bleibt bunt
Wir wollen, dass Berlin die Stadt wird, in der alle Menschen ihr Leben frei und
selbstbestimmt verwirklichen können. Niemand darf wegen der sexuellen
Orientierung, der sexuellen oder Geschlechtsidentität, wegen des
Geschlechtsausdrucks oder vielfältiger Geschlechtsmerkmale ausgegrenzt oder
diskriminiert werden. Wir akzeptieren dies genauso wenig wie Diskriminierung
aufgrund des sozialen Status, der Hautfarbe, des Glaubens oder der Herkunft.
Besonders wichtig ist dies, wenn Menschen mehrfach diskriminiert werden, zum
Beispiel Schwarze oder muslimische queere Menschen. Für uns ist klar, queer geht
nicht ohne Feminismus und Queer-Feminismus nicht ohne Kampf gegen Rassismus und
soziale Ausgrenzung – unsere Queerpolitik ist „intersektional“.
Queere Infrastruktur in ganz Berlin sichern
Wir haben die ganze Stadt im Blick und wollen, dass es in allen Bezirken queere
Infrastruktur gibt. Wir haben in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass Angebote
dazugekommen sind, sei es das erste queere Jugendzentrum,
generationenübergreifende Wohn- und Pflege-Gemeinschaften, die Fachstelle queere
Bildung oder seit 2018 der Preis für lesbische* Sichtbarkeit zur Würdigung des
Schaffens von Lesben für Berlin. Diese Infrastruktur werden wir weiter ausbauen.
Wir brauchen Anlaufstellen, soziale Treffpunkte und Beratungsstellen für queere
Menschen, insbesondere Jugendliche, Ältere und mehrfach diskriminierte Gruppen
wie Geflüchtete. Gleichzeitig müssen die Bedürfnisse von LSBTIQ* in allen
Einrichtungen mitgedacht werden. Egal ob Familienzentrum, Senior*innenheim oder
Jugendclub – wir wollen, dass es Angebote für LSBTIQ* gibt. Einrichtungen vor
Verdrängung zu schützen, ist dabei eine zentrale Aufgabe.
Wir stärken Initiativen für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
Leider ist unsere Stadt nicht so liberal, wie es oft scheint. Auch hier werden
Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität
ausgegrenzt, diskriminiert und tätlich angegriffen. Wir sagen Diskriminierung
und Gewalt den Kampf an. Wir haben eine Krisen- und Zufluchtswohnung
eingerichtet, in der LSBTIQ* in akuten Bedrohungssituationen eine anonyme,
temporäre Unterbringung finden können. Der bisherigen Initiative Sexuelle
Vielfalt haben wir neuen Schwung verliehen und sie zur „Initiative
Geschlechtliche und Sexuelle Vielfalt“ (IGSV) erweitert.
Durch einen ressortübergreifenden Maßnahmenplan, den der Senat gemeinsam mit den
lesbischen, schwulen, bi-, trans*- und inter*-Communities erarbeitet, entsteht
nun eine dauerhafte Struktur für Akzeptanzarbeit für LSBTIQ*. Gelingen kann dies
nur, wenn möglichst viele Gruppen, Vereine und Aktivist*innen zu Wort kommen.
Diese Arbeit werden wir fortsetzen. Die Bezirke spielen in der Umsetzung eine
wichtige Rolle, insbesondere die Außenbezirke sollen gestärkt werden, denn
Zugang zu Beratungs- und Unterstützungsstrukturen darf nicht vom Wohnort
abhängen. Wir haben verankert, dass jeder Bezirk eine Ansprechperson für
LSBTIQ*-Angelegenheiten benennt, die als Schnittstelle zwischen
Senatsverwaltung, Bezirk und Akteur*innen fungiert. Auch an Kitas und Schulen
muss geschlechtliche und sexuelle Vielfalt stärker gelebt werden können. Hierbei
brauchen sie Unterstützung. Wir unterstützen die „Fachstelle queere Bildung“,
die Initiative „Schule in Vielfalt“ und die Vielfaltsbroschüre für Kita-
Fachkräfte der zuständigen Senatsverwaltung.
Lesbische Sichtbarkeit stärken
In der Koalition haben wir das Ziel vorgegeben, die öffentliche Aufmerksamkeit
für Lesben, lesbisches Leben und lesbische Belange in Berlin zu erhöhen. Zudem
werden wir eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Sorgerechtsentzugs in Berlin
in Auftrag geben. Noch bis Ende der 1990er Jahre wurden vielen Frauen ihre
Kinder gerichtlich entzogen, wenn sie eine lesbische Beziehung führten. Dieses
Unrecht ist bisher kaum bekannt. Wir wollen dieses dunkle Kapitel der jüngeren
Geschichte aufarbeiten.
Die Bundesregierung muss handeln – wir nutzen jeden Spielraum in Berlin
Viele nötige Gesetzesänderungen können nur auf Bundesebene umgesetzt werden.
Darum haben wir eine Bundesratsinitiative zur Erweiterung des Art. 3 Grundgesetz
um das Merkmal der sexuellen Identität gestartet. Wir wollen, dass trans*-,
inter* und nicht-binäre Menschen ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag
möglichst einfach anpassen und ändern können. Momentan gibt es hohe
bürokratische Auflagen, die auf Bundesebene abgebaut werden müssen.
Solange sich das nicht ändert, wollen wir, dass Berlin schon in den Bereichen
vorangeht, in denen das Land Gestaltungsspielraum hat. In Schulen und
staatlichen Hochschulen wollen wir die selbstbestimmte Namensänderung und die
Änderung des Geschlechtseintrages ermöglichen. Wir setzen uns dafür ein, dass
der Personenstand „divers“ konsequent und gleichberechtigt in allen öffentlichen
Einrichtungen und der Berliner Verwaltung berücksichtigt wird, inklusive der
Anpassung aller Formulare.
Queere Rechte in Europa und weltweit
Wir stehen für die Rechte queerer Menschen ein – in Berlin und weltweit. Queer-
Feindlichkeit verstößt gegen die Menschenrechte. Berlin und die Bezirke haben
ein breites Städtepartnerschaftsnetzwerk. Als Regenbogenhauptstadt hat Berlin
die Verantwortung, auch gegenüber den Partnerstädten für queere Rechte und
Gleichstellung einzutreten. Die LSBTIQ*-freien Zonen in Polen und anderen
Ländern sind Menschenrechtsverletzungen und müssen aufgelöst werden. Über das
„Rainbow Cities Network“ setzen wir uns im Ausland in über 30 Städten auch auf
lokaler Ebene für die Stärkung der Belange von LSBTIQ* ein.
5.4 Freiheit schützen und bewahren
Berlin ist eine Stadt der Freiheit. Hier leben Menschen mit den
unterschiedlichsten Biographien, Identitäten, Zielen und Träumen. Allen
Berliner*innen ist gemeinsam, dass sie selbstbestimmt ihre Freiheit genießen
wollen. Das gelingt nur, wenn alle sich sicher sein können, dass ihre Rechte und
ihre Würde geachtet werden – von den anderen genauso wie von staatlichen
Stellen. Ohne ein Grundgefühl von Sicherheit ist das schwer möglich, denn Angst
hemmt die Freiheit. Es ist deswegen unser Ziel, Sicherheit zu schaffen, ohne
Freiheit zu beschränken. Das ist kein Widerspruch, im Gegenteil: Wer Sicherheit
nur durch Maßnahmen erreichen will, die Rechte und Freiheit schmälern, hat das
Ziel der offenen Gesellschaft und des Rechtsstaates aufgegeben.
Mit einem großen Freiheitsrechtestärkungspaket haben wir die größte
innenpolitische Reform in Berlin seit Jahrzehnten umgesetzt und eine*n
unabhängige*n Polizei- und Bürger*innenbeauftragte*n eingeführt. Das ist ein
großer Erfolg. Uns ist gelungen, woran andere Bundesländer gescheitert sind.
Häufig waren dortige Änderungen an den Sicherheitsgesetzen zu Recht begleitet
von heftigen Protesten, nicht so in Berlin. Mit der Novelle des Allgemeinen
Sicherheits- und Ordnungsgesetzes haben wir Befugnisse zur Abwehr
terroristischer Straftaten oder ähnlich schwerer Verbrechen neu in das Gesetz
aufgenommen. Die Veröffentlichung kriminalitätsbelasteter Orte, an denen ohne
Verdacht kontrolliert werden kann, haben wir gesetzlich geregelt, genau wie die
individuelle Kennzeichnung von Beamt*innen. So ist auch Fehlverhalten von
Polizist*innen leichter aufzuklären. Der Einsatz von Vertrauenspersonen und
verdeckten Ermittler*innen muss in der Regel nun durch ein Gericht angeordnet
werden. Wir haben die Bürger*innenrechte gestärkt und gleichzeitig dem Bedürfnis
der Berliner*innen nach mehr Sicherheit Rechnung getragen. Diesen Weg gehen wir
weiter.
Prävention ist der beste Weg
Die beste Form der Kriminalitätsbekämpfung wirkt, bevor eine Straftat begangen
wird. Wir wollen Instrumente der Prävention deshalb weiter stärken. Aufklärungs-
und Beratungsangebote sind dabei genauso wichtig wie die enge und klar
strukturierte Zusammenarbeit von Ordnungsämtern und Polizei mit Jugendämtern
oder Sozialämtern. Prävention bedeutet für uns nicht Überwachung und Kontrolle,
um zu verhindern, dass Delikte begangen werden. Uns geht es darum,
gesellschaftliche Konfliktlagen zu entschärfen, bevor sie entstehen, möglichen
Täter*innen Alternativen zu bieten und frühzeitig Grenzen aufzuzeigen, um sie
von einer kriminellen Karriere abzubringen.
Polizei vor Ort stärken
Die Berliner Polizei muss ansprechbar, erreichbar und vor Ort sein. Präsenz und
Nähe schaffen Transparenz und Vertrauen. Wir wollen Mobile Wachen und
Brennpunktstreifen weiter ausbauen, um vor Ort Konflikte zu lösen und
Kriminalität verhindern zu können. In enger Kooperation mit sozialer Arbeit,
Präventionsträgern und Zivilgesellschaft kann so verhindert werden, dass Orte zu
Angsträumen und Kriminalitätsschwerpunkten werden. Wir haben die Fahrradstaffel
mit dem Ziel, sie auf die gesamte Stadt auszuweiten, deutlich ausgebaut. Wir
wollen noch mehr Polizist*innen auf Fahrrädern, um alle Verkehrsteilnehmer*innen
auf Augenhöhe anzusprechen und für mehr Sicherheit auf Berlins Straßen zu
sorgen.
Die Berliner Polizei muss so divers sein wie unsere Stadt
Vielfältig, tolerant, offen, freiheitlich – das sind Attribute, die nicht nur
auf Berlin zutreffen, sondern auch die Berliner Polizei beschreiben müssen. Um
das zu erreichen, werden wir die Polizei jünger, weiblicher und diverser machen.
Wir werden intensiv um Menschen werben, die bisher in der Polizei keine
Berufsperspektive für sich sehen. Wir werden die Kompetenzen in
diversitätssensibler Kommunikation stärken, in der Aus- und Fortbildung ebenso
wie im Polizeialltag durch Supervision. Diskriminierung und rassistische
Tendenzen in der Polizei werden wir untersuchen und mit allen Mitteln bekämpfen
– sie haben in Berlin keinen Platz.
Handeln zählt
Diskriminierung und Racial Profiling dürfen kein Mittel der Polizeiarbeit sein.
Wenn Kontrollen und andere Maßnahmen an der vermeintlichen Herkunft, Sprache, am
Glauben oder an sexueller Orientierung anknüpfen, läuft etwas doppelt falsch:
Grundrechte werden missachtet und effektive Kriminalitätsbekämpfung wird
verhindert – denn keine dieser Kategorien hat etwas mit Kriminalität zu tun.
Polizeiliches Handeln muss sich nach dem Handeln der Verdächtigen richten,
deswegen lehnen wir verdachtsunabhängige Kontrollen ebenso ab wie
Verdächtigungen aufgrund des Erscheinungsbildes oder persönlicher Eigenschaften.
Wer Ziel einer polizeilichen Maßnahme wird, etwa einer Personenkontrolle, fühlt
sich oft bedrängt und unter unberechtigtem Verdacht. Wir wollen unbürokratische
Nachweispflichten einführen, so dass jede*r weiß, warum er*sie beispielsweise
kontrolliert wurde und welche Rechtsschutzmöglichkeiten es gibt. Die kritische
Aufarbeitung des Fehlverhaltens einzelner Polizist*innen schafft Vertrauen und
stärkt die Arbeit der gesamten Polizei.
Die Ermittlungen rund um die rechtsextreme Terrorserie in Neukölln werden wir
genau untersuchen und dazu direkt nach dem Beginn der neuen Legislaturperiode
einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen.
Sicherheitsbehörden stärken
Wir erwarten von unserer Polizei und Feuerwehr gute Arbeit. Dafür sind wir ihnen
aber auch die richtigen Bedingungen schuldig. Wir haben die Arbeitsbedingungen
bereits durch Neueinstellungen verbessert und viele profitieren von höherer
Bezahlung. Die Arbeitszeiten werden wir familienfreundlicher machen, die
Gesundheit der Beamt*innen besser schützen, Millionen von Überstunden abbauen
und die Ausstattung verbessern. Und natürlich werden wir Polizist*innen und
Feuerwehrleuten, die im Dienst angegriffen werden, unsere Unterstützung geben.
Keine Grundrechtseingriffe auf Vorrat
Der Tendenz der letzten Jahre und Jahrzehnte im Bund und in den meisten
Bundesländern, immer weitere Kompetenzen der Sicherheitsbehörden auf immer
schwammigerer rechtlicher Grundlage zu schaffen, erteilen wir eine klare Absage.
Sicherheit entsteht nicht durch Überwachung und Vorratsdatenspeicherung auf
Kosten der Freiheit und Privatsphäre aller. Die Sicherheitsbehörden brauchen
effektive und wirksame Mittel im Kampf gegen Verbrechen und Terrorismus, aber
diese müssen klar definiert und an entsprechende Verdachtsmomente gebunden sein.
Weitreichende Überwachungs- und Eingriffsrechte führen nicht zu Sicherheit,
sondern zerstören das lebenswichtige Vertrauen in staatliche Institutionen.
Wir brauchen ein funktionierendes Frühwarnsystem gegenüber Verfassungsfeinden,
staatszersetzenden und demokratiegefährdenden extremistischen Personen und
Strukturen. Dieses benötigt eine hohe demokratische Legitimation und
parlamentarische Kontrolle. Der Berliner Verfassungsschutz musste sich in den
letzten Jahren zwar wichtigen zusätzlichen Herausforderungen stellen, konnte
beim islamistischen Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz und in der
rechtsextremen Neuköllner Anschlagsserie aber nicht überzeugen und hat so weiter
an Vertrauen verloren. Um eine Alternative für diesen Verfassungsschutz zu
schaffen, setzen wir auf eine wissenschaftliche Evaluation der bundesweiten
Sicherheitsarchitektur. So lange lehnen wir zusätzliche Befugnisse oder Mittel
für den Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form ab.
5.5 Wir setzen auf den Rechtsstaat
Der Rechtsstaat ist das Rückgrat unserer offenen Gesellschaft und unserer
Freiheit. Alle Menschen müssen ihre Rechte durchsetzen können und ohne Willkür
und Diskriminierung behandelt werden. Dafür brauchen wir eine unabhängige,
starke und moderne Justiz. In den vergangenen Jahren haben wir die Berliner
Justiz in großen Schritten besser aufgestellt. Erstmals seit vielen Jahren ist
im Allgemeinen Vollzugsdienst die Soll-Personalstärke wieder erreicht. Nach
jahrzehntelangem Stillstand haben wir ein Raumkonzept erarbeitet und mit dessen
Umsetzung begonnen: Mit dem Kathreiner-Haus am Kleistpark hat die Berliner
Justiz – erstmals seit 2005 – wieder ein zusätzliches Gerichtsgebäude erhalten,
in das das Verwaltungsgericht einziehen soll. Mit einem umfassenden
Sanierungsprogramm haben wir insbesondere die Justizvollzugsanstalten in Tegel
und Moabit grundsaniert. Wir sind dabei, Richter*innen mit mobilen
Arbeitsgeräten auszustatten, haben für den Jugendarrest eine gesetzliche
Grundlage erarbeitet und die alte Jugendarrestanstalt saniert. Es ist viel
geschafft, um die Berliner Justiz besser aufzustellen. Und noch viel haben wir
vor.
Organisierte Kriminalität bekämpfen
Organisierte Kriminalität sorgt für schwere Schäden, untergräbt die Gesellschaft
und schadet der Wirtschaft. Deshalb haben wir eine neue Spezialabteilung bei der
Berliner Staatsanwaltschaft gegründet, die der organisierten Kriminalität den
Geldhahn zudreht, indem die gesetzlichen Möglichkeiten der Einziehung von
Vermögen voll ausgeschöpft werden. Mithilfe einer besseren Schulung und
Ausstattung der Polizei und enger Kooperation mit anderen Bundesländern und
europäischen Partner*innen werden wir weiter konsequent gegen organisierte
Kriminalität vorgehen. Um Geldwäsche einzudämmen, haben wir eine Taskforce zur
intensiveren Überwachung der Pflichten der Notar*innen eingerichtet. Den
eingeschlagenen Weg, das Vermögen aus der organisierten Kriminalität
einzuziehen, wollen wir weitergehen und wo möglich dafür nutzen, Opfergruppen zu
unterstützen. Diese Arbeit wollen wir weiter stärken.
Wirtschafts- und Umweltkriminalität stoppen
Wirtschaftskriminalität ist Teil der organisierten Kriminalität und auch ihre
Bekämpfung wollen wir weiter voranbringen. Im Alltag wird diese Kriminalität
fälschlicherweise nicht als direkte Bedrohung wahrgenommen, sie bedeutet aber
Gewinne für die Täter*innen zum immensen Schaden der Allgemeinheit. Wir wollen
den Verfolgungsdruck konsequent erhöhen – die Erfahrung zeigt, dass hier mit
relativ wenig Mitteln große Erfolge erzielt werden können. Deswegen wollen wir
die entsprechenden Abteilungen der Polizei stärken und durch einen Ausbau der
Steuerfahndung verhindern, dass sich einige wenige zu Lasten aller bereichern.
Bei der Bekämpfung der Lebensmittelkriminalität, zum Beispiel der Fälschung von
vermeintlich hochwertigem Olivenöl, hat sich Berlin in den vergangenen Jahren an
die Spitze der Bundesländer gesetzt und sich für eine bessere Zusammenarbeit der
beteiligten Behörden eingesetzt, von der Lebensmittelüberwachung bis zum Zoll.
Dies wollen wir weiter vorantreiben.
Opfer stärken
Rechts- und Sicherheitspolitik orientiert sich zu oft an Täter*innen. Wir wollen
die Opfer stärker in den Blick nehmen. Nach dem islamistischen Anschlag auf dem
Breitscheidplatz haben wir eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene von
Terroranschlägen und deren Angehörige eingerichtet. Wir wollen die Beratungs-
und Betreuungsangebote ausbauen und aktiv auf die Opfer von Straftaten zugehen,
statt sie allzu oft alleinzulassen. Auch die psychosoziale Betreuung von Opfern
muss weiter deutlich verbessert werden, damit traumatische Folgen möglichst
verhindert werden. Der Täter-Opfer-Ausgleich soll in Zukunft eine wichtigere
Rolle spielen. Um ausuferndem Hass und Hetze insbesondere im Internet
entgegenzutreten, haben wir bei der Staatsanwaltschaft eine Zentralstelle
Hasskriminalität gegründet und wollen in einem Modellprojekt eine digitale
Gewaltschutzambulanz einrichten. Sie soll psychologische Unterstützung,
technische Hilfe und Beratung beim Stellen einer Anzeige bieten.
Rechtsstaat braucht Richter*innen und Vollzugsbeamt*innen
In den letzten Jahren haben wir die Rahmenbedingungen für eine leistungsstarke
und bürgernahe Justiz geschaffen. Aber noch sind wir nicht am Ziel. Ganz
besonders liegt uns am Herzen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und
familienfreundlicher zu machen, Quereinstiege und Wechsel zu erleichtern. So
wollen wir ermöglichen, dass Anwält*innen mit spezifischer Facherfahrung bei
einem Wechsel in die Justiz auch in dieser Fachmaterie eingesetzt werden können.
Vorerfahrungszeiten wollen wir großzügig anrechnen. Im Justizvollzug werden wir
den Gesundheitsschutz weiterentwickeln, um vor allem die negativen Folgen der
Schichtarbeit abzumildern. Um für genug Nachwuchs zu sorgen, wollen wir die
Jurist*innenausbildung reformieren. Auch die Förderung von Frauen werden wir
weiter stärken: mit einem transparenten Bewertungssystem, Frauenvertretungen,
paritätisch besetzten Gremien und Vorschlagslisten für den Richterwahlausschuss.
Wir wollen, dass unsere Justiz so divers wird wie Berlin. Besonders bei den
Richter*innen und Staatsanwält*innen haben wir noch einen langen Weg vor uns,
bis die Richterbank so divers wie die Stadt ist. Daher wollen wir dies
langfristig bei Einstellungen und Beförderungen ändern.
Rechtsstaat braucht Infrastruktur
Unsere Platz-Offensive für die Justiz werden wir fortsetzen. Den Justiz-Campus
in Moabit wollen wir weiterentwickeln und ein 12. Amtsgericht in Marzahn-
Hellersdorf einsetzen, damit die Justiz überall in Berlin einfach zu erreichen
ist. Die vorhandenen Justizgebäude werden wir energetisch sanieren und den
bereits begonnen Bau von Solaranlagen und Blockheizkraftwerk forcieren.
Digitalisierung voranbringen
Wir digitalisieren die Berliner Justiz. Der elektronische Rechtsverkehr und die
elektronische Akte (E-Justice) sollen bis zum Jahr 2026 kommen. Die Mehrheit der
Berliner Richter*innen wurde bereits mit mobilen Arbeitsgeräten ausgestattet,
wir wollen, dass das künftig für alle möglich wird, die in Gerichten arbeiten.
Dabei gilt: Sicherheit und Datenschutz stehen an oberster Stelle, kein
Effizienzgewinn rechtfertigt die Beschränkung der Prozessgrundsätze.
Rechtsstaat für alle
Wer in unserer Stadt lebt, muss seine Rechte auch durchsetzen können. Es darf
nicht sein, dass Armut, fehlende Bildung oder Diskriminierung dazu führen, dass
Menschen nicht in vollem Umfang ihre Rechte kennen und wahrnehmen. Mit
niedrigschwelligem Zugang zur Justiz und zu Beratungsangeboten sorgen wir dafür,
dass das Recht wirklich für alle gleich ist! Möglichkeiten kollektiver
Rechtsdurchsetzung wie das Verbandsklagerecht wollen wir ausweiten. Das Projekt
„Wir im Rechtsstaat“, ein Rechtsbildungsprogramm für Geflüchtete, werden wir
weiterführen.
Gefangene werden Nachbar*innen
Ein Rechtsstaat beweist sich ganz besonders darin, wie er mit Straffälligen
umgeht. „Wegsperren!“ kann niemals das Prinzip des Strafvollzugs sein.
Strafvollzug soll dazu dienen, dass straffällig Gewordene nach ihrer Haft wieder
voll in die Gesellschaft eintreten können und nicht rückfällig werden.
Projekte wie „Arbeit statt Strafe“, bei dem Menschen gemeinnützige Arbeit
verrichten, statt eine Freiheitsstrafe zu verbüßen, haben wir finanziell besser
ausgestattet. Wo immer es zu verantworten ist, setzen wir auf offenen Vollzug,
um den Weg zurück in die Gesellschaft zu erleichtern.
Strafgefangene brauchen mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung und eine bessere
Betreuung vor und nach der Entlassung. Wir haben daher das bundesweit
einzigartige Projekt „Resozialisierung durch Digitalisierung“ gestartet. In den
kommenden Jahren werden alle Gefangenen, bei denen dies zu verantworten ist,
Zugang zu Internet und E-Mail erhalten – um den Kontakt mit ihren Familien zu
verbessern, digitale Bildungsangebote zu nutzen und sich am Ende der Haft um
einen Job zu bewerben. Nur so funktioniert Resozialisierung und wird die „zweite
Chance“ auch eine echte Chance.
Im Bereich des Jugendstrafrechts und des Jugendstrafvollzugs stehen der
Erziehungsgedanke und die Prävention für uns im Mittelpunkt. Jugendgerichte,
Polizei und Jugendgerichtshilfe arbeiten bereits ortsbezogen. Daher war es nur
konsequent, auch die Jugendstaatsanwaltschaft zu regionalisieren.
Verfahrensabläufe „vor Ort“ zu vereinfachen und zu beschleunigen werden wir
fortsetzen.
Strafrecht als „Ultima Ratio“
Strafrecht darf immer nur das letzte Mittel sein. Darum haben wir in den
vergangenen Jahren Initiativen ergriffen, um zum Beispiel die
Majestätsbeleidigung, das Informieren über Schwangerschaftsabbrüche und das
Fahren ohne Fahrschein zu entkriminalisieren. Auch den Besitz von Cannabis
wollen wir entkriminalisieren. Auch Elemente aus der NS-Zeit wollen wir endlich
aus dem Strafgesetzbuch verbannen. All das muss auf Bundesebene geregelt werden
– wir bleiben dran.
5.6 Demokratie braucht Engagement: Partizipation, Vielfalt und Transparenz
stärken
Berlin ist seit Jahrzehnten ein Ort, an dem das Ringen um Demokratie eine ganz
besondere Rolle spielt. Unzählige Ost-Berliner*innen haben 1989 mit ihrem Mut
und mit ihrem Einstehen für demokratische Werte die Mauer zwischen Ost- und
West-Teil der Stadt zum Einsturz gebracht und für alle Menschen in der Stadt die
Demokratie erkämpft.
Berlin war und bleibt ein Ort, an dem eine lebendige Zivilgesellschaft immer
wieder Missstände benennt und dagegen aufsteht, an dem Demokratie gelebt und mit
Engagement und Widerstandsgeist verbessert wird. Diese aktive Vielfalt ist –
gemeinsam mit unserem Grundgesetz und unserer Landesverfassung – die Basis
unseres demokratischen Zusammenlebens. Wir wollen sie schützen und fördern, denn
ohne diese Grundlage gibt es auf Dauer kein Leben in Freiheit. Deshalb haben wir
in dieser Wahlperiode die direkte Demokratie gestärkt, indem wir das
Abstimmungsgesetz geändert und dadurch die Durchführung von Volksinitiativen,
Volksbegehren und Volksentscheiden erleichtert haben. Dadurch wurde mehr
Mitbestimmung für die Berliner*innen möglich.
Demokratie heißt Vielfalt
Grundlage jeder Demokratie ist das Prinzip der Gleichheit der Menschen. Wir
erleben in einer vielfältigen Stadt wie Berlin aber allzu oft, dass dieses
Prinzip mit Füßen getreten, mit Hassparolen angegriffen und mit
Verächtlichmachung ganzer Gruppen untergraben wird. Eine Demokratie ist nur so
gut wie der Schutz, die Rechte und die Freiheit, die Minderheiten genießen. Wir
stellen uns allen Tendenzen entgegen, die die Gleichheit aller Menschen infrage
stellen.
Mehr Transparenz von politischen Entscheidungen
Die Nachvollziehbarkeit von politischen Entscheidungen ist eine zentrale
Voraussetzung für das Vertrauen in demokratische Strukturen und die
Landesverwaltungen. Wir wollen das Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetz
weiterentwickeln und damit die Veröffentlichungspflicht der Verwaltung und das
Recht auf Akteneinsicht erweitern. Diese Veröffentlichungspflicht soll sowohl
für die Verwaltung als auch für die landeseigenen Betriebe gelten. Die Kontrolle
des Gesetzes soll durch eine*n Beauftragte*n für Datenschutz, Transparenz und
Informationsfreiheit erfolgen. Außerdem setzen wir uns für die Einführung eines
Lobbyregisters im Land Berlin ein.
Bürger*innenräte in Berlin einführen
Wir wollen unsere Demokratie weiterentwickeln und stärken. Dazu wollen wir auf
Bezirksebene und auch auf Landesebene sowie zu einzelnen thematischen
Schwerpunkten Bürger*innenräte etablieren, die sich zu bestimmten Themen
temporär bilden und die Institutionen repräsentativer Demokratie ebenso wie die
Instrumente der direkten Demokratie ergänzen. Die Teilnehmer*innen an den Räten
werden durch das Zufallsprinzip gelost, um die Bandbreite der Gesellschaft in
einem Kiez abbilden zu können. Gemeinsam mit der Verwaltung können dort Lösungen
für konkrete Probleme im Kiez oder im Bezirk erarbeitet werden. Dadurch wollen
wir die demokratischen Entscheidungsprozesse stärker vor Ort verankern und die
Akzeptanz politischer Entscheidungen auf lokaler Ebene erhöhen.
Stadtvertrag für Beteiligung
Wir wollen unsere Demokratie weiterentwickeln und stärken. Repräsentative,
direktdemokratische und dialogische Elemente gehören zusammen. Sie eröffnen auch
Einwohner*innen ohne Wahlrecht, sich an konkreten Projekten in der Stadt zu
beteiligen, sie machen eine Mitsprache zwischen den Wahlen und unabhängig von
Parteien möglich, sie binden Engagement und Sachverstand der Bürger*innen ein in
eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung. Dazu wollen wir einen „Stadtvertrag
Beteiligung“ erarbeiten: weitere Stärkung der direkten Demokratie, transparente
Verwaltung und Zugang zu Verwaltungswissen, Ausbau der Beteiligungsbüros in der
ganzen Stadt, das neue Instrument der Bürger*innenräte, Bürger*innenentscheide
auf Bezirksebene verbindlich machen, eine*n Beauftragte*n einsetzen, um diese
Prozesse zu begleiten und voranzutreiben.
Demokratische Initiativen stärken
Engagement ist das Rückgrat unserer Demokratie, deshalb braucht es unsere
Förderung. Wir haben mit dem Landesprogramm „Demokratie. Vielfalt. Respekt.
Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“, der Initiative
Geschlechtliche und Sexuelle Vielfalt (IGSV) und zahlreichen anderen Programmen
schon vieles getan. Aber wir wollen mehr: Wir wollen eine dauerhafte und
verlässliche Förderung solcher Projekte und deshalb wollen wir mit einem
Landesdemokratiefördergesetz dauerhafte Strukturen schaffen, um Engagement für
Demokratie und Vielfalt, gegen Hass und Rassismus zu stärken. Vor allem wollen
wir Präventionsangebote stärken sowie Anlaufstellen und Aussteigerprogramme
verstetigen.
Wissen schaffen, Demokratiebildung ausweiten
Wir wollen den Berlin Monitor fortführen. Er hat die Erfahrungen der
Berliner*innen im Zusammenleben wissenschaftlich untersucht und wertvolle
Hinweise gegeben, um gezielt Probleme anzugehen. Um das demokratische
Bewusstsein zu stärken, sind historische und politische Bildung unerlässlich.
Wir wollen die Landeszentrale für politische Bildung stärken und insbesondere
für junge Menschen und in Schulen ausweiten. Denn hier wird die Grundlage für
die Zukunft unserer Demokratie gelegt. Die Auseinandersetzung mit Rassismus,
Antisemitismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gehört
ebenso dazu wie das Wissen um deutsche Kolonialgeschichte.
Hilfe und Beratung verbessern, Bewusstsein stärken
Viele Menschen erleben Diskriminierung und Hass, sei es wegen ihrer Herkunft,
ihres Glaubens oder ihrer sexuellen Identität. Die Betroffenen fühlen sich oft
isoliert und ausgeschlossen und brauchen deswegen Anlaufstellen, denen sie
vertrauen können. Wir wollen solche Stellen mit der Zivilgesellschaft schaffen
und stärken. Ebenso werden wir in der öffentlichen Verwaltung und in Schulen
regelmäßige Fortbildungen einführen, um Rassismus und Diskriminierung
entgegenzuwirken.
Hass und politische Gewalt bekämpfen
Wir haben bereits eine Schwerpunktabteilung bei der Staatsanwaltschaft
geschaffen, um gegen politisch motivierte und Hasskriminalität vorzugehen, und
werden sie weiter stärken. Wir wollen damit insbesondere der Bedrohung jüdischen
Lebens durch wachsenden Antisemitismus entgegentreten und Hassbotschaften im
Internet Einhalt gebieten.
5.7 Berlin bleibt Kulturhauptstadt
Berlin ist eine Kulturhauptstadt. Kaum eine andere Stadt hat ein so
reichhaltiges Angebot an Theatern, Museen, Orchestern und Chören, eine so
vibrierende Film-, Literatur-, Musik- und Clubszene, mit der Künstler*innen und
Kreative Berlin spannend und lebenswert machen. Doch diese Kunst- und
Kulturmetropole ist unter Druck: Der übergroße Teil der Kulturschaffenden gehört
immer noch zu den Geringverdienenden in unserer Gesellschaft. Steigende Mieten
und Lebenshaltungskosten haben soziale Verdrängung und den Verlust
künstlerischer Freiräume mit sich gebracht. Durch den Lockdown in der Corona-
Pandemie haben zahllose freischaffende Künstler*innen und private Kulturorte von
heute auf morgen ihre Existenzgrundlage verloren. Wir stehen für den Erhalt und
Ausbau von Berlins einmaliger Kulturlandschaft: Wir haben mit Mindesthonoraren
und neuen Förderprogrammen für eine Besserstellung von Künstler*innen gesorgt,
durch die Sicherung öffentlicher Liegenschaften sowie gezielte Immobilienankäufe
neue Kulturräume geschaffen und die kulturelle Grundversorgung in den Bezirken
ausgebaut. Nun wollen wir den nächsten Schritt machen, indem wir die Kulturraum-
Frage ins Zentrum der Stadtentwicklungspolitik rücken, die Fördersystematik
zugunsten von mehr Gerechtigkeit, Transparenz und Diversität reformieren und die
Dekolonisierung Berlins weiter vorantreiben.
Kunst und Kultur brauchen mehr Raum in Berlin – und zwar dringend
Berlins Kulturleben hat einen bedeutenden Anteil an der Attraktivität und
internationalen Ausstrahlung der Stadt. Gleichzeitig waren und sind Kunst und
Kultur immer mehr als ein Wirtschaftssektor und deshalb auf öffentliche
Förderung und Infrastruktur angewiesen.Daher wollen wir bei der Neubau- und
Ankaufspolitik des Landes wie in der Berliner Stadtentwicklungspolitik ganz
generell kulturelle Nutzungen und Bedarfe stärker in den Vordergrund stellen.
So, wie wir die Alte Münze als einen Kunst- und Kulturstandort mit dem
Schwerpunkt Musik gesichert haben, werden wir weitere öffentliche Liegenschaften
als künstlerische Produktions- und Präsentationsorte erschließen. Wir werden
auch weiterhin private Immobilien für diesen Zweck gezielt ankaufen und das
sogenannte Arbeitsraumprogramm im Dialog mit der Freien Szene und den
Spartenverbänden weiterentwickeln. Bei Planung und dem Bau neuer Stadtquartiere
müssen künstlerische Zwecke und die Schaffung kultureller Infrastruktur von
vornherein mitberücksichtigt werden. Außerdem wollen wir sonstige öffentliche
Liegenschaften und Bauprojekte zugunsten einer Kulturnutzung öffnen:
Bildungseinrichtungen, Gerichte und Dienstgebäude der Berliner Verwaltung können
außerhalb ihrer normalen Öffnungszeiten als Probe- und Aufführungsorte fungieren
– und beim Neubau einer Schule können im Idealfall auch gleich neue Räume für
die bezirkliche Musikschule oder Jugendkunstschule entstehen. Dabei denken wir
Kunst und Klimaschutz zusammen: Auch der Kulturbereich muss seinen Anteil an der
Einsparung von CO2-Emissionen auf dem Weg zu einer klimaneutralen Stadt
erbringen. Das gilt insbesondere für die Museen und den Gastspiel- und
Festivalbetrieb, die zu den größten Treibhausgas-Emittenten gehören. Deshalb
unterstützen wir Konzepte für ein „Green Culture Desk“ und die Einrichtung eines
entsprechenden Fonds.
Förderung der Freien Szene neu justieren
BerlinsFreie Szene war schon immer eine Art Laboratorium für neue künstlerische
Ausdrucks- und Arbeitsformen und trägt durch ihre Innovationen erheblich zu der
internationalen Ausnahmestellung der Stadt bei. Die Förderstrukturen, die dies
ermöglicht haben, werden den neueren Entwicklungen hinsichtlich der Bandbreite
und Ausdifferenzierung von Sparten und Formaten sowie der künstlerischen
Qualität und Professionalisierung dieser Szene allerdings schon lange nicht mehr
gerecht. Wir wollen die vorhandenen Förderinstrumente und -strukturen deshalb
zusammen mit Vertreter*innen der freien Verbänden und Kulturorte einer
kritischen Evaluation unterziehen und gemeinsam weiterentwickeln. Dabei wollen
wir das fortsetzen, was wir in dieser Legislatur mit dem Runden Tisch Tanz und
den neuen Stipendien, der Einrichtung eines Festivalfonds, der Ausweitung der
Kinder- und Jugendtheater-Förderung und der Stärkung der Ankerinstitutionen der
Freien Szene begonnen haben. Auch die Arbeit und Strukturen der freien
Spartenverbände selbst wollen wir kontinuierlich unterstützen.
Zeit für eine diverse und feministische Kulturpolitik
Berlin ist eine vielfältige Metropole mit Menschen unterschiedlichster
Migrationsgeschichte. Diese gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt spiegelt
sich in den städtischen Kultureinrichtungen bislang nur unzureichend wider. Dies
ist für uns eine Frage der gerechten Teilhabe und Repräsentanz, aber auch eine
Chance für künstlerische Entwicklungen, die postmigrantische, transkulturelle
Innovationen aufgreift. Die gesellschaftliche Vielfalt muss endlich besser in
den Angeboten der öffentlichen Kultureinrichtungen, ihren Leitungspositionen und
Aufsichtsgremien, bei der Besetzung von Jurys und in der Kulturförderung als
solcher zum Ausdruck kommen. Mit der Einrichtung eines Diversitätsfonds und dem
Berliner Projektbüro für Diversitätsentwicklung (Diversity Arts Culture) haben
wir einen Anfang gemacht. Nun wollen wir die Förderpolitik nach Vorbild des New
Yorker „Culture-Plan“ umbauen.
Bei der Besetzung von Intendanzen und anderen Spitzenpositionen im Kulturbereich
müssen auch endlich Frauen stärker berücksichtigt werden. Doppelspitzen und
Intendant*innen-Kollektive sollten nicht länger eine Ausnahme, sondern
Normalität auch in großen Kulturinstitutionen sein. Wir werden dem sogenannten
Gender-Show-Gap und der Unterrepräsentanz von Frauen in Regiepositionen
entgegenwirken – dort, wo es sich wie beim Berliner Theatertreffen realisieren
lässt, gegebenenfalls auch in Form einer Quote.
Ein Zentrum der Kunst und Kreativwirtschaft im Flughafen Tempelhof
Wir wollen kreative Innovationen, speziell von Kleinstunternehmen, Solo-
Selbstständigen und freien Gruppen, fördern. Im Gebäude des Flughafens Tempelhof
soll ein Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft entstehen, in dem Ateliers,
Galerien, Proberäume und freie Spielorte ebenso wie Produktions- und
Präsentationsstätten für Design, Mode, Architektur oder Games Platz finden.
Alles, was dort produziert wird, soll unter dem Label „made in Berlin“ gezielt
vermarktet und präsentiert werden. Dazu wollen wir als digitale Ergänzung eine
landeseigene virtuelle „Plattform Berlin“ aufbauen. Auch im ehemaligen Flughafen
Tegel wollen wir Raum für die Kreativwirtschaft schaffen.
Freiheit der Medien garantieren
Die Medien erfüllen durch Information und Unterhaltung eine wichtige
gesellschaftliche Funktion. Freie Medien sind Grundlage für Demokratie. Mit
großer Sorge verfolgen wir die Angriffe, denen freie Medien verstärkt ausgesetzt
sind. Wir stehen ein für Pressefreiheit und werden die Unabhängigkeit von
Journalist*innen wahren und sichern. Gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk
hat die Aufgaben, die Breite der Gesellschaft abzubilden und Ort der offenen
Debatte der Gesellschaft zu sein. Deshalb ist es wichtig, dass die jeweiligen
Medienformate in ihrer Darstellung auch die Diversität der Gesellschaft
widerspiegeln und adressieren. Um die Vielfalt und Teilhabe von
unterrepräsentierten Gruppen im rbb zu erhöhen, wollen wir den Rundfunk-
Staatsvertrag zusammen mit Brandenburg weiterentwickeln.
„Berlin-Jahr“ für Absolvent*innen der Filmhochschulen
Der Film entwickelt sich zunehmend zu einem Aushängeschild der Berliner
Kulturlandschaft. Um hier ausgebildete Filmschaffende an Berlin zu binden,
wollen wir ihnen in einem „Berlin-Jahr“ eine Anschlussförderung und in
Kooperation mit der Filmwirtschaft Arbeitsangebote bieten. Um Möglichkeiten der
Aus-, Weiter- und Fortbildung für Film- und Medienschaffende zu verbessern,
wollen wir die Angebote der Medienanstalt Berlin-Brandenburg ausweiten. Dazu
soll die Medienanstalt auch mit den Filmhochschulen kooperieren.
Clubkultur erhalten
Wir wollen Berlins lebendige Clubkultur erhalten und dazu Standorte sichern. Um
Nutzungskonflikte mit Anrainern zu entschärfen, haben wir 2018 einen
„Lärmschutzfonds für Berliner Clubs“ ins Leben gerufen und mit einer Million
Euro ausgestattet. Diesen Weg wollen wir fortsetzen. Das „Agent of Change“-
Prinzip wollen wir in ganz Berlin etablieren. Um Clubs bauplanungsrechtlich
besser abzusichern und ihnen einen einfacheren Zugang zu Fördermitteln zu
verschaffen, wollen wir diese Clubs auch offiziell als Kulturstätten anerkennen.
Uns ist wichtig, Clubs in ihrer Funktion als Orte der gesellschaftlichen
Begegnung und „Safer Spaces“, zum Beispiel für queere Menschen, zu stärken und
gleichzeitig gemeinsam mit den Betreiber*innen und der Clubkommission gegen
Diskriminierung an der Tür und im Clubleben vorzugehen.
Decolonize!
Mit dem von uns initiierten gesamtstädtischen Konzept für die Aufarbeitung und
Erinnerung der deutschen Kolonialvergangenheit ist Berlin vom Nachzügler zum
Vorreiter bei der Dekolonisierunggeworden. Doch die ist ein Prozess, der nur im
engen Dialog mit den postmigrantisch-diasporischen Communities und den
Nachkommen der Menschen in den ehemaligen Kolonien gelingen kann. Wir wollen die
Dekolonisierung der Berliner Kultureinrichtungen und deren Arbeit im
Bildungsbereich und öffentlichen Raum weiter vorantreiben. Dafür wollen wir die
in dieser Legislatur eingerichtete Koordinationsstelle und die Zusammenarbeit
mit Initiativen wie „Decolonize Berlin e. V.“ verstetigen. Die Berliner Bezirke
und Stadtteilinitiativen wollen wir bei der Umbenennung von Straßen und Plätzen,
die noch heute den Kolonialismus und die Kolonialverbrecher ehren, bestmöglich
unterstützen, etwa indem wir auf Landesebene Ressourcen für die
wissenschaftliche Erforschung dieser Straßenhistorie zur Verfügung stellen. An
den Berliner Hochschulen sollen endlich Postcolonial und Black Studies angeboten
werden, wie es im angelsächsischen Raum längst der Fall ist. Und wir fordern
weiterhin die Errichtung eines Lern- und Erinnerungsortes gemeinsam mit dem Bund
als zentrale Gedenkstätte für die Opfer des deutschen Kolonialismus. Als
ehemalige Hauptstadt des deutschen Kolonialreichs und Ort zahlreicher kolonialer
Sammlungen und Institutionen steht Berlin ganz besonders in der Pflicht, deren
Geschichte aufzuarbeiten: Wir setzen uns für eine systematische
Provenienzforschung und die Offenlegung der Inventarlisten der Berliner Museen
und Sammlungsbestände ein. Koloniale Raubkunst und menschliche Überreste müssen
den Herkunftsgesellschaften zurückgegeben werden, und das proaktiv. Wir wollen
außerdem Berlins Städtepartnerschaft mit Windhoek, Namibia, dafür nutzen, eine
Wiedergutmachung der Bundesrepublik für den Genozid an den Nama und Herero und
die Aussöhnung mit deren Nachkommen zu erreichen.
5.8 Berlin ist solidarisch: Europa und die Welt im Blick
Wir wollen Berlin zu einer Stadt machen, die keinen zurücklässt. Berlin soll ein
sicherer Hafen für Menschen sein, die vor Krieg, Verfolgung, Elend, Armut oder
der Klimakrise fliehen mussten, und eine gute Heimat all denjenigen bieten, die
in einer weltoffenen, demokratischen und solidarischen Stadt leben wollen. Alle
Menschen, die in Berlin ankommen, müssen eine Chance erhalten, sich in unserer
Stadt ein Leben aufbauen zu können.
Berlin ist sicherer Hafen
Wir bekennen uns zu den europäischen Werten von Frieden, Demokratie,
Menschenrechten und Solidarität. Die Abschottungspolitik an den europäischen
Außengrenzen steht diesen Werten entgegen und ist eine Schande für Europa. Die
Unterbringung von Geflüchteten in menschenunwürdigen Lagern, wie in Moria auf
Lesbos, zeigt das Scheitern der bisherigen europäischen Asyl- und
Migrationspolitik. Wir fordern stattdessen eine solidarische und
menschenrechtsbasierte europäische Flüchtlingspolitik, die allen Asylsuchenden
ein faires Asylverfahren zusichert. Berlin hat bereits gezeigt, dass es bereit
ist, Solidarität zu zeigen und Menschen aufzunehmen. Bislang sind wir mit
unserem Landesaufnahmeprogramm immer wieder am Nein des Bundesinnenministers
gescheitert. Diese Ablehnung ist für uns Ansporn. Wir werden uns weiterhin für
ein Landesaufnahmeprogramm für Geflüchtete aus den griechischen Lagern einsetzen
und haben erreicht, dass Berlin dafür sogar gegen das Bundesinnenministerium
klagt. Intensiv bemühen wir uns um besonders schutzbedürftige Geflüchtete. Das
entsprechende Aufnahmeprogramm wollen wir verlängern und dafür sorgen, dass
alleinreisende Frauen, Traumatisierte, Geflüchtete mit Behinderungen, LSBTIQ*
und Familien unmittelbar nach ihrer Ankunft die Beratung und Betreuung bekommen,
die sie benötigen.
Eine echte Willkommensbehörde für Berlin
In Berlin ist die postmigrantische Einwanderungsgesellschaft schon lange
Realität und in den kommenden Jahren wird sie noch pluraler werden, als sie es
jetzt schon ist. Nun gilt es, diese Realitäten in Politik und Verwaltung
abzubilden. Es muss unser Ziel sein, ein friedliches, gerechtes und freies Leben
für alle Berliner*innen zu ermöglichen. Dafür werden wir das Berliner Landesamt
für Einwanderung zu einer echten Willkommensbehörde weiterentwickeln und alle
nötigen Kompetenzen für eine gelingende Einwanderung – vom Aufenthaltsrecht über
die Versorgung und Unterbringung bis zum Integrationskurs – bündeln. Die
Willkommensbehörde soll der für Integration zuständigen Senatsverwaltung
unterstellt werden. Ebenso soll die Zuständigkeit für das Aufenthaltsrecht nicht
länger im Innenressort angesiedelt bleiben. Neuen Berliner*innen soll dadurch
das Ankommen erleichtert und Teilhabe soll ihnen ermöglicht werden. Die
gesetzlichen Spielräume wollen wir konsequent zugunsten der Betroffenen nutzen.
Dazu gehört, dass die, die arbeiten oder sich bilden, auch bleiben können. Ein
prekärer Aufenthaltsstatus darf nicht länger die Aufnahme einer Ausbildung,
berufsvorbereitende Maßnahmen oder den Abschluss eines angebotenen
Arbeitsvertrages verhindern. Berlin kann nur all seine Potentiale ausschöpfen,
wenn die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen, von
Ausbildung und Studium, vereinfacht wird. Abschiebungen während
Ausbildungsvorbereitung oder Ausbildung – dazu zählt auch die Schulzeit oder der
Besuch einer Hochschule – müssen für die gesamte Familie konsequent
ausgeschlossen sein. Abschiebungen sollen generell nur in Ausnahmefällen
erfolgen. Die Abschiebungen in Krisen- und Konfliktregionen, wie nach
Afghanistan, lehnen wir ab.
Programm zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen
Auch politisch Verfolgten wollen wir in Berlin eine sichere Anlaufstelle geben.
Besonders Menschenrechtsverteidiger*innen sind in autoritären Regimen immer
wieder massiver Repression ausgesetzt. Wir haben in dieser Legislatur mehrere
Programme zur Unterstützung von Menschen aufgelegt, die in ihrer Heimat
politisch verfolgt werden. Dadurch haben Betroffene aus Journalismus, Kultur,
Wissenschaft und Unternehmen die Möglichkeit, für eine gewisse Zeit in Berlin in
Sicherheit zu leben. Diese Programme wollen wir verstetigen und unter einem
gemeinsamen institutionellen Dach, einem Haus des Exils, ansiedeln. Berlin setzt
dadurch ein starkes Signal für den Schutz von Menschenrechten weltweit. Darüber
hinaus setzen wir uns dafür ein, dass in Berlin ein „Friedensforum" entsteht,
das als Begegnungsraum für zivile Konfliktbearbeitung und gewaltfreie
Konfliktlösung Friedensarbeit praktisch erfahrbar macht.
Berlin ist Fair Trade Town – das verpflichtet zu Verantwortung
Viele Produkte auf dem deutschen Markt werden in anderen Ländern oft unter
katastrophalen Bedingungen hergestellt: Umweltzerstörungen,
Menschenrechtsverletzungen und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse werden für
Profite in Kauf genommen. Für uns ist klar: Unternehmen und Importeure müssen
Verantwortung für ihre gesamte Lieferkette übernehmen. Die Auszeichnung Berlins
als Fair-Trade-Town im Jahr 2018 und die Gründung des Eine-Welt-Hauses waren
dafür erste wichtige Schritte. Wir wollen diesen Weg weitergehen und
schrittweise eine faire und ökologische Beschaffung in der Berliner Verwaltung
umsetzen. Von Kaffee über Computer und Kleidung bis zu Baumaterial – Berlin muss
fair, sozial und nachhaltig einkaufen. Auf Bundesebene setzen wir uns für ein
Lieferkettengesetz ein, damit Verbraucher*innen Transparenz erhalten und Umwelt-
und Sozialstandards weltweit eingehalten werden.
Soziales Europa statt Ausbeutung
Ausbeutung von Arbeitskräften aus Europa ist in Berlin leider an der
Tagesordnung – auf Baustellen, in Hotels, im Bereich der Prostitution. Gegen
diesen Missbrauch europäischer Freizügigkeit gehen wir mit aller Kraft vor. Wir
unterstützen entsprechende Kontrollen des Zolls, zum Beispiel um die Missachtung
des Mindestlohns auf Baustellen zu verhindern. Und wir stärken
zivilgesellschaftliche Organisationen, die wertvolle Arbeit leisten, um für
Transparenz zu sorgen und betroffene Menschen zu beraten, häufig sind dies
Migrant*innen-Selbst-Organisationen. Wir wollen diese sicher finanzieren und bei
der Vernetzung unterstützen, zum Beispiel mit Gewerkschaften und der Berliner
Justiz. Häufig entsteht das Problem, dass EU-Bürger*innen keine Ansprüche auf
Sozialleistungen geltend machen können. Auf Bundesebene arbeiten wir darum
dafür, dass Leistungsausschlüsse abgeschafft werden. In Berlin wollen wir mit
einer Clearing-Stelle dafür sorgen, dass zentral alle Möglichkeiten geprüft
werden können. Wenn nötig werden wir Menschen auch auf Basis des Allgemeinen
Sicherheits- und Ordnungsgesetzes unterbringen. Ein Dach über dem Kopf zu haben
ist ein Grundrecht, dafür stehen wir ein, ausnahmslos.
Partnerschaften in der Europäischen Union
Es ist der historische Verdienst der Europäischen Union, einen Kontinent, der
jahrzehntelang von Krieg und Zerstörung gezeichnet war, in einen stabilen
Frieden geführt zu haben. Der Blick in unsere europäische Nachbarschaft zeigt,
dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Wir müssen das europäische Projekt
aktiv am Leben halten, Brücken bauen und den europäischen Austausch fördern.
Deshalb wollen wir zukünftig vor allem mit denjenigen Städten – vor allem in
Osteuropa – gezielt Kooperationen und Partnerschaften eingehen, die unsere Werte
teilen. Auch die Mitgliedschaft in bestehenden Städtenetzwerke, die sich für
Klimaschutz, den humanen Umgang mit Geflüchteten und gegen Rassismus einsetzen,
wollen wir weiter ausbauen und stärken. Auf EU-Ebene wollen wir die EU-
Städteagenda nutzen, um noch stärker den Austausch und die Kooperation,
besonders im Bereich des Klimaschutzes, der Kreislaufwirtschaft und der
Energiewende, zu suchen.
Europa in die Berliner Landesverfassung
In der Stadt wollen wir Europa sichtbarer machen. Deshalb fordern wir, ein
Bekenntnis zur Europäischen Union auch in die Berliner Landesverfassung
aufzunehmen, wie es in vielen anderen Bundesländern der Fall ist. Darüber hinaus
sollen die Bezirke über den Rat der Bürgermeister besser in die Programmplanung
des Landes Berlin für den Europäischen Sozialfond (ESF) und den Europäischen
Fond für regionale Entwicklung (EFRE) eingebunden werden. Die Europabeauftragten
auf Bezirksebene sollen gestärkt werden und regelmäßig über ihre Arbeit
berichten. Auch das Abrufen von EU-Geldern durch die Bezirksverwaltungen wollen
wir vereinfachen, indem diese Koordinierungsstelle bei der Antragstellung
unterstützt.
Jetzt ganz konkret: Bündnisgrüne Projekte für die Zukunft Berlins
1. Gleichstellung in allen Gesellschaftsbereichen
Wir kämpfen für die Gleichstellung der Geschlechter in allen
Gesellschaftsbereichen – nicht erst seit Corona, aber seit der Pandemie umso
mehr: Krisenstäbe und alle anderen Gremien müssen divers und
geschlechterparitätisch besetzt sein. Um alle Haushaltsmittel
geschlechtergerecht zu verteilen, wollen wir das Gender-Budgeting weiter
vorantreiben, indem wir ein Gender-Budgeting-Referat in der Finanzverwaltung
einsetzen. Und damit Politik für Frauen endlich als Querschnittsthema in allen
Bereichen mitgedacht wird, wollen wir mit allen Verwaltungen eine verbindliche,
datenbasierte und ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie erarbeiten und
umsetzen und eine Gesetzesfolgenabschätzung einführen, die die Gleichstellung
von Frauen sicherstellt.
2. Rechtsextremen Terror aufklären – parlamentarischer Untersuchungsausschuss
zur Terrorserie in Neukölln
Die rechtsextreme Terrorserie in Neuköllen steht in einer Linie mit Hanau und
den NSU-Morden. Es wurden Verbindungen der Berliner Polizei zur Polizeibehörde
in Hessen bekannt, aus der Todesdrohungen mit der Kennung NSU 2.0 verschickt
wurden. Es mussten zwei Staatsanwälte in der Berliner Justiz umgesetzt werden.
Noch immer ist kaum etwas aufgeklärt – weder Brandanschläge noch Bedrohungen und
auch nicht der Mord an Burak Bektas aus dem Jahr 2012. Wir brauchen Klarheit
über die Fälle, aber auch darüber, welche Rolle Berliner Polizist*innen und
Staatsanwält*innen spielen. Darum werden wir direkt zu Beginn der neuen
Legislaturperiode einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen.
Aufklärung schafft Vertrauen. Genau das braucht unsere Hauptstadt-Polizei.
3. Bürger*innenräte in Berlin einführen
Wir wollen unsere Demokratie weiterentwickeln und stärken. Dazu wollen wir auf
Bezirks- und Landesebene Bürger*innenräte etablieren, die sich zu bestimmten
Themen temporär bilden und die Institutionen repräsentativer Demokratie
ergänzen. Die Teilnehmer*innen an den Räten werden durch das Zufallsprinzip
gelost, um die Bandbreite der Gesellschaft in einem Kiez abbilden zu können.
Gemeinsam mit der Verwaltung können dort Lösungen für konkrete Probleme im Kiez
oder im Bezirk erarbeitet werden. Dadurch wollen wir die demokratischen
Entscheidungsprozesse stärker vor Ort verankern und die Akzeptanz politischer
Entscheidungen auf lokaler Ebene erhöhen.
4. Kulturförderung gerechter, transparenter und diverser gestalten
Wir wollen die Berliner Kulturförderung angesichts neuer Entwicklungen und
gesellschaftlicher Realitäten umgestalten: Die gesellschaftliche Diversität muss
sich besser in den kulturellen Angeboten und – nach New Yorker Vorbild – auch in
der Besetzung von Leitungsfunktionen und Förderstrukturen widerspiegeln. Mit
innovativen Programmen und neuen Kooperationsformen wollen wir mehr
Fördergerechtigkeit für diejenigen erreichen, die bislang durchs Raster fallen
und sich von einem unterfinanzierten Projekt zum nächsten hangeln müssen. Dies
erreichen wir nur gemeinsam mit Vertreter*innen der freien Verbände und
Institutionen sowie mehr Partizipation und Transparenz bei kulturpolitischen
Entscheidungen.
5. Eine Willkommensbehörde für Berlin
Berlin soll eine Willkommensbehörde bekommen. Wir haben bereits aus der
„Ausländerbehörde“ das „Landesamt für Einwanderung“ gemacht. Jetzt kommt der
nächste Schritt. In einer Willkommensbehörde sollen alle Kompetenzen für eine
gelingende Einwanderung gebündelt werden – vom Aufenthaltsrecht über den
Integrationskurs bis zur Arbeitserlaubnis. Die Willkommensbehörde soll im
Kompetenzbereich der für Integration zuständigen Senatsverwaltung liegen. Auch
die Zuständigkeit für das Aufenthaltsrecht soll vom Innenressort an die
Integrationsverwaltung übertragen werden. Gesetzliche Spielräume wollen wir
konsequent zugunsten der Betroffenen nutzen.
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