Veranstaltung: | Wahlprogramm Mobilität 2021 |
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Antragsteller*in: | Yannick Brugger (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 23.01.2021, 11:45 |
A6: K-6: Fundament stärken – die zukunftsfeste Stadt
Text
6. Fundament stärken – die zukunftsfeste Stadt
Wir haben die vergangenen Jahre genutzt, das „Jahrzehnt der Investitionen“
ausgerufen und kräftig in die Zukunft der Stadt investiert. Wir haben U- und S-
Bahn-Wagen in Milliardenhöhe bestellt, haben Milliarden für Schulbau und -
sanierung ausgegeben, Tausende neue Stellen in der öffentlichen Verwaltung
geschaffen und Gehälter auf den Durchschnitt der anderen Bundesländer angehoben,
massiv in den Wohnungsbau investiert, genau wie in Energieeffizienz und die
Digitalisierung der Verwaltung. Ein Paradigmenwechsel im Vergleich zu der Zeit
von vor der Grünen Regierungsverantwortung.
Berlin war heruntergewirtschaftet
2016 war die Stadt gezeichnet von vielen Jahren, in denen ein rot-roter Senat
die Devise ausgegeben hatte: „Sparen, bis es quietscht!“ Gerade die Bezirke
waren kaum noch handlungsfähig, so massiv waren die Finanzkürzungen und der
Personalabbau. Die Berliner Wasserbetriebe waren verkauft, genau wie die vormals
landeseigene Wohnungsbaugesellschaft „Gemeinnützige Siedlungs- und
Wohnungsbaugesellschaft“ (GSW), die als börsennotierte Gesellschaft mittlerweile
der „Deutsche Wohnen“ gehört. Berlin hing bei der Bezahlung der Beamt*innen weit
hinter der Bezahlung in anderen Bundesländern zurück, eine gesamtstädtische
Steuerung gab es nicht, der Begriff Digitalisierung war für große Teile der
Politik ein Fremdwort und eine Senatsstrategie gegen die Klimakrise noch nicht
mal am Horizont erkennbar.
Die Berliner Verwaltung hat Handlungsfähigkeit zurückgewonnen
Seitdem ist viel passiert: Wir haben den Bezirken Handlungsfähigkeit
zurückgegeben. Seit 2016 haben wir die Bezirksverwaltungen um über 4.000 auf
etwa 24.300 Stellen aufgestockt. Ein Plus von 20 Prozent in einer
Legislaturperiode. Die Bezirkshaushalte konnten wir sogar um 25 Prozent auf
heute rund 7,6 Milliarden Euro steigern. Um Handlungsfähigkeit vor Ort zu
schaffen, haben wir seit 2016 einstmalige Sonderprogramme verstetigt und wieder
in die Verantwortung der Bezirke und ihrer „Globalsumme“ zurückgegeben. Der
„Zukunftspakt Verwaltung“ wurde im Mai 2019 unterzeichnet: Damit haben sich der
Regierende Bürgermeister, alle zwölf Bezirksbürgermeister*innen und alle
Senator*innen auf ein konkretes gemeinsames Vorgehen verständigt, um Berlins
Verwaltung effektiver und effizienter zu machen. Jetzt müssen wir den nächsten
Schritt gehen und die Modernisierung der Strukturen auf Landes- und Bezirksebene
weiter beschleunigen.
Das Berliner Vermögen halten und ausbauen
Gemeinwohl braucht öffentliche Ressourcen und eine soziale Bodenpolitik. Wir
wollen das Vermögen des Landes Berlin sichern und ausbauen. Mit der
Privatisierung öffentlichen Eigentums haben wir Schluss gemacht. In der
kommenden Legislaturperiode werben wir weiter bei anderen Parteien für eine
echte Privatisierungsbremse in der Berliner Verfassung. Um den Aufbau von
Berlins Vermögen voranzutreiben, werden wir die neu gegründete „Berliner
Bodenfonds GmbH“ ausbauen und die strategischen Ankäufe von Liegenschaften
forcieren. Dabei wollen wir mit zivilgesellschaftlichen Initiativen,
Genossenschaften und Stiftungen kooperieren.
Finanzpolitik, Verwaltung und Bezirke auf Klimaneutralität ausrichten
Gemeinwohl geht einher mit dem Ziel, Berlin auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen.
Wir verstehen die Finanz- und Haushaltspolitik in Land und Bezirken als
zentralen Hebel dafür. Mit einem Berliner Klima-Budget werden wir den Ausstoß
von CO2 reduzieren und die Reduzierung von Treibhausgasen auch noch stärker in
die Logik der Bezirksfinanzierung einfließen lassen. Der Berliner Klimaschutzrat
soll die Einhaltung der Budgets und die Umsetzung überwachen.
Berlin neu ordnen und die personelle Erneuerung schaffen
Um Gemeinwohl und Klimaneutralität zu erreichen, brauchen wir eine
leistungsstarke Verwaltung: modern und effizient, digital und klimaneutral.
Berlin kann nur dann funktionieren, wenn dabei alle Ebenen und die Ressorts eng
zusammenarbeiten. Darum werden wir die sogenannte „gesamtstädtische Steuerung“
und Zuständigkeiten neu ordnen. Zu allen relevanten Themen und Aufgaben wollen
wir ressort- und ebenenübergreifende Zielvereinbarungen schließen.
Reibungsverluste und Verantwortungswirrwarr zwischen Hauptverwaltung und
Bezirken wollen wir so konsequent beseitigen. In den kommenden Jahren wird ein
erheblicher Teil der Beschäftigten altersbedingt ausscheiden. Wir wollen diesen
demographischen Wandel als Chance für die Verwaltungsmodernisierung wahrnehmen.
Dafür werden wir die Arbeitsbedingungen verbessern, neue kluge Köpfe werben und
die Berliner Verwaltung so divers aufstellen, wie es die Bevölkerung dieser
Stadt längst ist.
Lokale Demokratie in den Bezirken stärken
In den Bezirken legen wir einen Schwerpunkt darauf, die lokale Demokratie weiter
zu stärken. Die Bezirksämter wollen wir künftig nicht mehr nach Parteienproporz
besetzen, sondern eine echte Bezirksregierung schaffen, mit klaren
Verantwortlichkeiten für das Regieren auf der einen Seite und klarer
Oppositionsrolle auf der anderen. Nur mit einem solchen „politischen Bezirksamt“
wird für die Bürger*innen ersichtlich, wer für welche Politik geradesteht. Damit
geht einher, dass wir die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) stärken wollen,
zum Beispiel dadurch, dass künftig noch mehr ihrer Beschlüsse tatsächlich eine
bindende Wirkung haben.
Die Zeiten von „Sparen, bis es quietscht!“ müssen endgültig vorbei sein. Die
Corona-Krise stellt uns vor große finanzielle Herausforderungen, aber Kürzungen
der öffentlichen Ausgaben und Investitionen würde sie letztlich nur schlimmer
machen – das hat uns die Vergangenheit gelehrt. Zumal auch unterlassene
Investitionen in die Unterhaltung und Modernisierung der städtischen
Infrastruktur versteckte Schulden sind. Wir werden weiter in die Stadt
investieren: für ein Berlin mit einer guten Grundversorgung für alle, das dem
1,5-Grad-Pfad folgt, für effiziente Verwaltungen in Land und Bezirken und für
eine demokratische, gerechte und vielfältige Hauptstadt.
6.1 Grüne Finanzpolitik – Daseinsvorsorge sichern, Berlin klimaneutral und
gerechter machen
Berlin ist auf einem guten Weg. Nach Jahren des Kaputtsparens haben wir 2016
einen neuen Kurs eingeschlagen. Wir haben massiv investiert in die Zukunft der
Stadt, in Schulen, U- und S-Bahnen, Fahrradwege, Krankenhäuser, mehr Personal
und Digitalisierung. Die Corona-Krise hat die Vorzeichen neu gesetzt. Zum ersten
Mal seit Jahren mussten wir neue Kredite aufnehmen. Wir haben dies getan, um die
wirtschaftliche Aufholjagd der Stadt in den letzten Jahren und ihre weitere
Entwicklung abzusichern – viele Unternehmer*innen wurden mit
Soforthilfeprogrammen vor dem Ruin gerettet, mit Konjunkturmaßnahmen ermöglichen
wir der Wirtschaft einen guten Start aus der Krise. Die Kosten der Krise mit
überzogener Sparpolitik begleichen zu wollen, wäre die falsche Antwort, da sie
die Krise nur noch teurer macht. Wir bleiben auf Kurs. Wir bekennen uns
weiterhin zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik und dem Schuldenabbau, ebenso
wichtig sind aber Investitionen in die Zukunft. Dazu gehört, eine gute
Daseinsvorsorge zu sichern, in die funktionierende Stadt zu investieren, Berlin
klimaneutral zu machen und für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.
Daseinsvorsorge ist staatliche Aufgabe
Es war ein Fehler, in den Jahren vor 2016 unter SPD, CDU und Linkspartei
Vermögen im Wert von ca. 16,5 Milliarden Euro zu verscherbeln. Dieser
Privatisierung öffentlichen Eigentums haben wir in der Landeshaushaltsordnung
einen Riegel vorgeschoben. Ein wichtiger Schritt, aber nicht genug. Wir wollen
eine echte Privatisierungsbremse in Form eines Bodensicherungsgesetzes und durch
eine Änderung in der Berliner Verfassung. Dafür werben wir um Mehrheiten über
die Parteigrenzen hinweg. Dabei gilt: Das Grundstockvermögen darf in seinem
Wertbestand grundsätzlich nicht verringert werden. Ausnahmen gibt es per Gesetz
und in außergewöhnlichen Notsituationen mit einer Mehrheit des
Abgeordnetenhauses.
Eine endgültige Abkehr von der Privatisierungspolitik früherer Zeiten ist uns
aber nicht genug. Wir wollen das städtische Vermögen weiter aufbauen. Weil
Grundversorgung in öffentlicher Hand die beste Versorgung für alle garantiert,
wollen wir kritische Infrastrukturen wie Energienetze in die öffentliche Hand
zurückholen. Der vollständige Rückkauf des Berliner Stromnetzes beendet nicht
nur einen jahrelangen Rechtsstreit, sondern ermöglicht endlich gezielte
Investitionen in die Infrastruktur der Energiewende der Stadt. Den Einfluss des
Landes Berlin werden wir auf alle Energienetze ausweiten. Zur langfristigen
Stabilisierung des Berliner Wohnungsmarktes streben wir an, dass in 30 Jahren 50
Prozent aller Wohnungen in Berlin in gemeinwohlorientierter Hand sind, und
vergeben öffentliche Grundstücke nur noch als Erbbaurechte. Bei Vergabeverfahren
setzen wir auf das beste Konzept, nicht den höchsten Preis. Public Private
Partnerships stehen wir kritisch gegenüber, da durch sie häufig höhere Kosten
für die öffentliche Hand entstehen und Gewinne meist an die Privaten gehen.
Sinnvolle Ausnahmen wie das Energie-Contracting in der Berliner Energie-Agentur,
zum Beispiel die Zusammenarbeit von Energieanbietern und Rathäusern zur
Energieeinsparung, können im Einzelnen geprüft und gefördert werden.
Finanzpolitik – zentraler Hebel im Kampf gegen die Klimakrise
Wir wollen offenlegen, welche Sektoren und Ausgaben wie viel klimaschädliche
CO2-Emissionen verantworten und einsparen müssen und damit Klimaschutz zu einer
Maxime auch haushalts- und finanzpolitischer Entscheidungen machen. Dafür führen
wir ein „Klima-Budget“ für die Haushalte in Land und Bezirken ein. Wenn einzelne
Bereiche hinter den Pariser Klimazielen und dem davon abgeleiteten Berliner
Einsparpfad zurückbleiben, muss zugunsten weiterer Klimaschutzmaßnahmen im
Haushalt umgesteuert werden. Die Versorgungsrücklagen und andere Sondervermögen
des Landes legen wir nach ethischen und ökologisch-nachhaltigen Kriterien an –
Gleiches gilt für Finanzanlagen, an denen das Land Berlin oder seine
Gesellschaften Anteile halten. Dieses sogenannte „Sustainable Finance“ soll
ausgeweitet werden und systematisch Anwendung finden, bis sämtliche dieser
Vermögen klimaneutral angelegt sind. Mit einer jährlichen Berichtspflicht
gegenüber dem Abgeordnetenhaus und der Öffentlichkeit zur Klima- und CO2-Bilanz
der öffentlichen Finanzanlagen schaffen wir Transparenz und stärken die
Nachfrage nach ökologischen Finanzmarktprodukten. Dafür werden wir auch mit der
Ausgabe von Green Bonds zur Finanzierung bestimmter öffentlicher
Investitionsvorhaben, etwa im Umwelt- und Verkehrsbereich, beginnen.
Finanzpolitik ist Gerechtigkeitspolitik
Gerechtigkeit ist für uns ein wichtiges Ziel, an dem sich auch die Einnahmen des
Staates wie seine Ausgaben messen lassen müssen. Im Bereich der sogenannten
Ländersteuern und durch eigene Abgaben können die Bundesländer einen Beitrag zur
Umverteilung von Reichtum und zu mehr Chancengerechtigkeit leisten. Wir wollen
die Weiterentwicklung der Grundsteuer zu einer Bodenwertsteuer prüfen und dazu
eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Unser Ziel bleibt, Spekulation mit
Boden einzudämmen, den öffentlichen Anteil am Grundbesitz deutlich zu steigern
und die Liegenschaftspolitik an Gemeinwohlkriterien zu orientieren. Dazu braucht
es eine strategische Ankaufspolitik. Dafür wollen wir den neu gegründeten
landeseigenen „Berliner Bondenfonds“ ausbauen und dabei mit
zivilgesellschaftlichen Initiativen, Genossenschaften und Stiftungen
kooperieren.
Die zweite Gerechtigkeitsfrage ist, wie Mittel ausgegeben werden. Seit Jahren
arbeiten wir in Berlin daran, Mittel geschlechtergerecht einzusetzen. Die Daten
liegen mittlerweile ausreichend vor, in der nächsten Legislaturperiode wollen
wir konkrete Zielmarken formulieren und verbindlich umsetzen, zum Beispiel um
Lohnungleichheiten zwischen Berufsgruppen auszugleichen, die eher von Männern
bzw. Frauen ausgeübt werden. Wir setzen uns ferner dafür ein, dass sich die
gesellschaftliche Vielfalt in Berlin auch in der öffentlichen Förderung
widerspiegelt. Um Bürger*innen mehr direkte Mitsprache über die Verteilung von
öffentlichen Mitteln zu geben, setzen wir uns weiterhin für ein Pilotprojekt
Bürger*innenhaushalt auch auf Landesebene ein.
Wir arbeiten in Berlin für mehr Verteilungsgerechtigkeit – und genauso von
Berlin aus auf Bundesebene. Das Steuerschlupfloch „Share-Deals“, mit dem
Investor*innen beim Immobilienkauf die Grunderwerbsteuer umgehen, wollen wir auf
Bundesebene schließen. Außerdem werden wir zur Finanzierung nötiger
Investitionen Initiativen im Bundesrat ergreifen – zur Wiedereinführung einer
Vermögensteuer und um die Schuldenbremse auch für die Länder flexibler zu
gestalten.
6.2 Verwaltung fit machen – modern und effizient, digital und vielfältig
Eine gute Verwaltung ist Voraussetzung für eine funktionierende Stadt – dafür,
dass Anliegen und Anträge von Bürger*innen oder Unternehmen schnell bearbeitet
werden, Beteiligung selbstverständlich wird sowie Fahrradwege und Schulen zügig
gebaut werden. Zuletzt hat die Corona-Pandemie einmal mehr gezeigt, wie
elementar es für uns alle ist, eine gut ausgestattete, effiziente Verwaltung zu
haben. Wir wollen eine Verwaltung, die besten Service garantieren kann und in
der bei jeder Aufgabe stets alle Abläufe schnell und reibungslos
ineinandergreifen. All das funktioniert nur mit klaren Strukturen, der richtigen
Technik, qualifizierten Leuten und einer zentralen Steuerung im Sinne
gemeinsamer Standards. Wir wollen Berlins Verwaltung vollständig digitalisieren
und die Mitarbeiterschaft so divers aufstellen, wie unsere Stadt auch
tatsächlich ist. Vielfalt und gute Arbeitsbedingungen sind die Basis für
Kreativität und Motivation. Berlin soll auf den 1,5-Grad-Pfad kommen, die
Berliner Verwaltung muss auch hier zum Vorbild werden.
Gesamtstädtische Steuerung – die Beziehungen von Land und Bezirken neu ordnen
Berlin kann nur funktionieren, wenn die Ebenen der Verwaltung und die Ressorts
eng zusammenarbeiten und gemeinsame Ziele verfolgen. Eine Verbesserung dieser
„gesamtstädtischen Steuerung“ ist Herzstück des „Zukunftspakts Verwaltung“, den
wir 2019 geschlossen haben, und zugleich Maßgabe für unsere Arbeit in der
kommenden Legislaturperiode. Wir wollen zu allen relevanten Themen und Aufgaben
ressort- und ebenenübergreifende Zielvereinbarungen treffen. Die Bezirke wollen
wir auch zukünftig personell und finanziell stärken, um vor Ort zusätzliche
Handlungsspielräume zu eröffnen.
Gleichzeitig sind wir der Überzeugung, dass es eigentlich einer grundsätzlichen
Neuordnung der Beziehungen zwischen Land und Bezirken bedarf. Um das zu
erreichen, wollen wir einen Vorstoß wagen, bei dem Land und Bezirke ihre
Zuständigkeiten und Kompetenzen neu ordnen. Dies ist in manchen Punkten nur
durch eine Verfassungsänderung und mit Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus
möglich.
Die Berliner Verwaltung und die Steuerung der Stadt digitalisieren
Die Zukunft der Berliner Verwaltung ist digital. Wir wollen das vorhandene
Berliner Service- und Dienstleistungsportal zu einem digitalen Bürger*innenamt
weiterentwickeln, das so viele Verwaltungsdienstleistungen wie möglich
automatisiert und mobil vorhält. Das ist komfortabel für die Nutzer*innen und
hilft zugleich der Verwaltung, Ressourcen einzusparen. So können sich deren
Mitarbeiter*innen besser um persönliche Belange und Einzelfälle kümmern.
Aber auch die täglichen Abläufe und das Datenmanagement in unserer Smart City
wollen wir digitalisieren: Die intelligente Steuerung von Verkehrsströmen
verhindert Stau und sorgt dafür, dass Busse oder Leihräder immer genau da sind,
wo sie gebraucht werden. Intelligentes Müllmanagement sorgt für saubere Kieze,
die Versorgung mit Kitaplätzen vor Ort wird automatisch mit den Geburten- und
Meldedaten in den Stadtteilen abgeglichen.
Um auf diesem Weg voranzukommen, wollen wir die Zuständigkeiten für
Digitalisierung, die derzeit in der Senatskanzlei, in der Innen- und der
Wirtschaftsverwaltung liegen, besser strukturieren und zusammenführen. Wir
brauchen eine zentrale Steuerungsstruktur mit Mandat, Ressourcen und Budgets.
Wir haben dafür gesorgt, dass heute im Service-Portal Berlins über 100
Dienstleistungen online erledigt werden können – von der Beantragung von Kita-
Gutscheinen bis zur Gewerbeanmeldung. Bis 2026 wollen wir alle öffentlichen
Gebäude ans Glasfasernetz angeschlossen haben und wir werden dafür prüfen,
inwieweit ein landeseigenes Unternehmen den Ausbau des Glasfasernetzes schneller
meistert. Auf Landesebene wollen wir die Verantwortung für die Digitalisierung
in einer zentralen Steuerungsstruktur zusammenfassen, anstatt es weiterhin über
mehrere Senatsverwaltungen zu verteilen. Damit das Zusammenspiel dieser neuen
zentralen Einheit mit den Bezirken gut funktioniert, werden wir auch in jedem
Bezirksamt eine*n zentrale*n Digitalisierungsbeauftragte*n einführen und die
nötigen Mittel für eine moderne IKT-Ausstattung bereitstellen.
Sicherheit und Effizienz sind für uns die Leitprinzipien der Digitalisierung der
öffentlichen Dienstleistungen. Ohne Datenschutz und IT-Sicherheit haben
Bürger*innen und die Wirtschaft kein Vertrauen in digitale Dienste. Klare
Verantwortlichkeiten, „privacy by design“, schnell reagierende Beschwerdestellen
und ein*e gut ausgestattete IT-Sicherheitsbeauftragte*r sind für uns integraler
Bestandteil aller Vorhaben. Gleiches gilt für die Effizienz: Mit zentralem
Management der Hardware- und Softwarestrukturen und Beauftragten der Bezirke
sowie der Fachbereiche – wie zum Beispiel Schulen – schaffen wir den richtigen
Mix aus solider Struktur, einheitlichem Sicherheitsniveau und flexiblem Eingehen
auf besondere Bedürfnisse.
Digitalisierung bedeutet neue Anforderungen, sowohl für
Verwaltungsmitarbeiter*innen als auch die Politik. Mobiles Arbeiten, digitale
Kompetenz und eine neue Fehlerkultur sollen Bestandteil von Weiterbildungen der
Verwaltungsmitarbeiter*innen werden.
Personelle Erneuerung organisieren – die Verwaltung wird vielfältig
Verwaltung funktioniert nur mit motivierten Mitarbeiter*innen. In den kommenden
Jahren wird ein erheblicher Teil der Beschäftigten altersbedingt ausscheiden,
für die anderen stehen große Umbrüche an. Um neue kompetente Mitarbeiter*innen
zu gewinnen, setzen wir auf gute Arbeitsbedingungen, eine gute Bezahlung und
gute Entwicklungsmöglichkeiten. Es ist uns gelungen, dass Beamt*innen mit dem
Ende der Legislaturperiode endlich den Durchschnitt der Besoldung anderer
Bundesländer erreichen. Künftig wollen wir mobiles Arbeiten zur Standard-Option
machen und durch Erleichterungen für Quereinsteiger*innen, Austauschprogramme
auch mit europäischen Partnerstädten, Qualifizierungsangeboten oder
Möglichkeiten, die Laufbahn zu wechseln, attraktive Perspektiven schaffen.
Enquete-Kommission gegen Diskriminierung in der Verwaltung und in den
(Sicherheits-) Behörden
Für die Dauer der kommenden Legislaturperiode wollen wir eine parlamentarische
Enquete-Kommission einrichten. Ziel ist, diskriminierende Strukturen in der
Berliner Verwaltung und den (Sicherheits-)Behörden proaktiv und systematisch zu
erfassen, diese abzubauen und die Verwaltung offener und diverser zu machen.
Sachverständige aus der Zivilgesellschaft können dort ihre
diskriminierungskritische Expertise einbringen und die vielfältigen Perspektiven
potentiell Betroffener sicherstellen.
Auch künftig gilt für uns „50 Prozent der Macht den Frauen“ – und das auch auf
den höheren Führungsebenen der Verwaltung. Um die Verwaltung für Schwarze
Menschen, People of Color, queere Menschen, Menschen mit Behinderung oder
Menschen aus bildungsferneren Milieus attraktiver zu machen, setzen wir bei
Einstellungsverfahren bewusst auf Diversität. Alle Führungskräfte der Verwaltung
sollen Fortbildungen zum Thema Diversität bekommen.
6.3 Handlungsfähige Bezirke schaffen – vor Ort entscheidet sich unser
Zusammenleben
Wir sind zuhause in den Kiezen und Stadtteilen. Hier entscheidet sich, wie wir
gemeinsam Berlin gestalten. Möglich ist das nur, wenn die Bezirke handlungsfähig
sind. Als wir 2016 Regierungsverantwortung übernommen haben, war dies kaum noch
gegeben. Das Spardiktat des vorangegangenen Jahrzehnts hatte die Bezirke
ausbluten lassen. Wir haben seitdem die Personalstellen in den Bezirken um 20
Prozent angehoben, die finanziellen Mittel sogar um 25 Prozent. Und wir haben
Entscheidungsfreiheit an die Bezirke zurückgegeben. Um diesen Weg fortzusetzen,
wollen wir an die Strukturen ran und dabei gute Bürger*innendienstleistungen in
den Mittelpunkt stellen. Vor Ort muss sich beweisen, dass die Stadt funktioniert
sowie mehr Demokratie und Beteiligung möglich sind.
Beste Qualität statt billigster Preis – Finanzierung der Bezirke neu aufstellen
Das Prinzip der Finanzierung der Bezirke ist derzeit bei knappen Mitteln
Wettbewerb um den billigsten Preis. Wenn die Aufgabe in einem anderen Bezirk
billiger erfüllt wird, müssen alle nachziehen, was zu einer fatalen
Abwärtsspirale führt. Diese Logik wollen wir durchbrechen, indem wir die Kosten-
und Leistungsrechnung (KLR) neu aufstellen. Wir wollen neben Kostendaten auch
Leistungs- und Qualitätsdaten erfassen. Der Preis darf nicht alleiniges Merkmal
guter Politik sein. Konkret wird das zum Beispiel beim Klimaschutz. Wir wollen
einen Anreiz für klimafreundliches und ressourcensparendes Haushalten in die
Logik der Bezirksfinanzierung integrieren. Auch das Gender-Budgeting, also die
Prüfung, ob die Mittel Frauen gleichermaßen zugutekommen, wollen wir stärker
verankern.
Die derzeitige Logik des Wettbewerbs führt dazu, dass Innovationen nicht geteilt
werden, da mehr Effizienz in anderen Bezirken neue Sparzwänge erzeugt. Wir
wollen gemeinsames Ringen um den besten Weg, kein Gegeneinander. Gerade bei der
Schulsanierung hat sich gezeigt, dass die Bezirke an Grenzen kommen. Darum
wollen wir Bezirkskooperationen ausbauen und Prozesse effizienter gestalten, um
Kosten zu senken.
Über die Logik der KLR, in der über sogenannte „Produkte“ Einzelleistungen
abgerechnet werden, können zum Beispiel Kosten für kulturelle Angebote kaum
abgebildet werden. Manche Angebote zeichnen sich durch viele Besucher*innen aus,
andere durch eine lange Verweildauer. Das lässt sich nicht in Preis-Mengen-
Kategorien fassen. Darum wollen wir Kultur- und Weiterbildung in einem
Pilotprojekt ganz aus der KLR herausnehmen und stattdessen die Zuweisungen in
anderer Form berechnen – etwa in einer Mischung aus der Fortschreibung
bestehender Projekte und tatsächlicher Neubedarfe.
Eigenständigkeit der Bezirke stärken
Die Eigenständigkeit der Bezirke wollen wir weiter stärken. In den letzten
Jahren haben wir Sonderprogramme, die Bezirken vorschreiben, wie sie Geld zu
verwenden haben, um ein Drittel zurückgefahren und Mittel direkt in den
Bezirksplanfonds gegeben. Künftig soll systematisch gelten: Sonderprogramme
dürfen nur noch als besondere Innovationsprogramme und nicht mehr zur
Finanzierung von Regelaufgaben eingesetzt werden.
All diese Veränderungen müssen sich in der Gesamtsumme der bezirklichen Mittel
widerspiegeln. Darum wollen wir die Bezirke künftig frühzeitig an der
Erarbeitung des Bezirksplanfonds beteiligen. Unrealistische Einnahmevorgaben
wollen wir absenken und konkrete Bedarfe in den Mittelpunkt stellen – inklusive
hoher Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards.
Mehr Demokratie in den Bezirken
Die Bezirke sind Orte lokaler Demokratie und aktiver Beteiligung. Dieses
Versprechen wollen wir stärker mit Leben füllen und Strukturen neu ordnen.
Bislang werden Bezirksämter nach Proporz besetzt – die Parteien stellen
Stadträt*innen entsprechend ihrem Wahlergebniss, anders als auf Bundes- und
Landesebene, wo eine politische Mehrheit die Regierung bestimmt. Dieses Prinzip
wollen wir auch im Bezirk als „politisches Bezirksamt“ einführen. Nur so wird
für die Bürger*innen nachvollziehbar, welche Parteien für welche Politik in der
Verantwortung stehen.
Mehr Demokratie bedeutet auch, das bezirkliche Parlament, die
Bezirksverordnetenversammlung (BVV), zu stärken. Derzeit verfügen die BVVen nur
in einigen Bereichen über Beschlussrechte und können überall sonst lediglich
Verwaltungshandeln anregen. Das soll sich ändern, wir wollen mehr BVV-Beschlüsse
mit Rechtswirkung ausstatten. Außerdem sollen Bezirksverordnete die Möglichkeit
erhalten, auf unabhängige Expertise zurückzugreifen, vergleichbar mit dem
wissenschaftlichen Dienst des Abgeordnetenhauses.
Auch die direkte Beteiligung von Bürger*innen wollen wir stärken. Wir wollen
Bürger*innenentscheide in den Bezirken. Die Idee der Bürger*innen-Haushalte wird
bislang ganz unterschiedlich umgesetzt. Wir wollen die verschiedenen Ansätze
evaluieren und die besten in allen Bezirken etablieren.
Politik vor Ort wird von Menschen gemacht. Wir haben die Stellen in den
Bezirksverwaltungen stark aufgebaut, dies wollen wir fortsetzen. Systematisch
gilt künftig: Werden neue Aufgaben auf die kommunale Ebene übertragen, müssen
dem auch die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen folgen.
Diversität ist für uns bei der Personalgewinnung ein zentrales Kriterium. Ziel
ist, die Bevölkerung in all ihrer Vielfalt abzubilden.
Jetzt ganz konkret: Bündnisgrüne Projekte für die Zukunft Berlins
1. Privatisierung stoppen – Berlins Vermögen ausbauen
Wir wollen eine echte Privatisierungsbremse in Form eines
Bodensicherungsgesetzes und eine Änderung der Berliner Verfassung. Dabei gilt:
Das Grundstockvermögen darf in seinem Wertbestand grundsätzlich nicht verringert
werden. Ausnahmen gibt es per Gesetz und in außergewöhnlichen Notsituationen mit
einer Mehrheit des Abgeordnetenhauses. Wir wollen, dass Berlins Vermögen nicht
nur stabil bleibt, sondern weiterwächst. Deshalb werden wir kritische
Infrastrukturen wie Energienetze in die öffentliche Hand zurückholen. Zur
langfristigen Stabilisierung des Berliner Wohnungsmarktes streben wir an, dass
in 30 Jahren 50 Prozent aller Wohnungen in Berlin in gemeinwohlorientierter Hand
sind, und vergeben öffentliche Grundstücke nur noch als Erbbaurechte.
2. Berliner Klima-Budget – ein Klima-Check für die Haushalte in Land und
Bezirken
Klimaschutz wird zur Querschnittsaufgabe in der Berliner Verwaltung. Jeder
Sektor – Verkehr, Gebäude, Gewerbe, Abfallwirtschaft etc. – weist ein eigenes
jährliches Klima-Budget aus. Maßgeblich sind die Pariser Klimaziele sowie der
daraus abgeleitete CO2-Einsparpfad für Berlin. Wird der nicht eingehalten,
müssen die zuständigen Verwaltungen zugunsten zusätzlicher Treibhausgas-
Reduktionen nachsteuern: durch eine andere Prioritätensetzung im Haushalt oder
ordnungsrechtliche Maßnahmen. Dadurch wird Klimaschutz in Berlin transparenter,
kann effektiver kontrolliert werden und fließt stärker in die politische
Entscheidungsfindung ein.
3. Gemeinsame Ziele, klare Verantwortlichkeiten – Bezirke und Land stärken
Viele Aufgaben sind derzeit sowohl auf Landes- als auch auf Bezirksebene
verankert. Dies führt nicht selten zu Doppelstrukturen und unklaren
Zuständigkeiten. Für uns gilt der Leitsatz: Aufgaben gehören auf die Ebene, die
dafür am besten geeignet ist. Dabei sollen Arbeitsbereiche, von der Planung bis
zur Umsetzung, so weit wie möglich von einer einzelnen Verwaltung verantwortet
werden. Entscheidend dabei ist, dass der jeweiligen Zuständigkeit auch das
notwendige Geld folgt. Zugleich wollen wir Berlin durch ein besseres
Zusammenspiel der Ebenen voranbringen, indem wir für alle relevanten
öffentlichen Aufgaben und Bürger*innendienstleistungen Zielvereinbarungen
abschließen. Damit beschleunigen wir auch die Modernisierung der Stadt,
beispielsweise indem der Bau von Radinfrastrukturen bei Hauptstraßen und dem
Rad-Vorrangnetz zukünftig komplett auf Landesebene, bei Nebenstraßen komplett
auf Bezirksebene angesiedelt ist.
4. Alle Leistungen der Verwaltung digital und aus einer Hand
Wir wollen aus dem Berliner Service- und Dienstleistungsportal ein attraktives
digitales Bürger*innenamt machen. Alle Verwaltungsdienstleistungen sollen dort
online, medienbruchfrei und auch mobil zugänglich sein. Dazu wollen wir die
bundesgesetzlichen Voraussetzungen schaffen und die internen Verwaltungsabläufe
vollständig digitalisieren. Unser Ziel ist, das Hin und Her zwischen
verschiedenen Ämtern, Internetseiten und Online-Formularen zu beenden. Wir Grüne
tragen zugleich Sorge dafür, dass alle Behörden ihre IT-Infrastruktur mit den
gebotenen Sicherheitsanforderungen betreiben und ihre Mitarbeiter*innen
umfassend geschult werden.
5. Bezirke: Nicht der billigste Preis, sondern die beste Leistung gewinnt!
Das Prinzip der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR), auf der die Finanzierung
der Bezirke basiert, gerät bei knappen Budgets schnell zu einem ruinösen
Wettbewerb um den billigsten Preis. Das führt zu weniger Qualität und
unterschiedlichen Standards in den zwölf Berliner Bezirken. Wir wollen
Kooperation statt Konfrontation und einen Wettbewerb um die beste Leistung,
nicht die billigste. Darum werden wir bei der KLR die Kostendaten mit
verbindlichen Qualitätsstandards definieren.
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